Kang der Eroberer, einer der ganz alten Feinde der Avengers (er feierte sein Debut in The Avengers #8 von 1964), ist bekanntlich der aktuelle Oberschurke im Marvel Cinematic Universe. Ein Umstand, der sich auch schon eine ganze Weile in den Comics niederschlägt, sehen wir dort doch vermehrt Titel mit Kangs Beteiligung. Dieser Band setzt sich davon etwas ab, spielt er doch in den Sechziger Jahren, in der Vergangenheit der Ur-Rächer, ihrer frühen Ära, als Captain America noch relativ frisch dabei war und der zeitreisende Kang seinen ersten und zweiten Auftritt hatte (in Avengers #11 – und als Immortus in Avengers #10, aber das ist eine andere Geschichte…).
Direkt danach setzt die Handlung von „Krieg im Zeitstrom“ ein: Kaum sind die Avengers zurück in New York werden sie vom Hulk angegriffen. Der ist richtig schlecht gelaunt und gibt „Blechmann, Goldhaar, dem Fahnenmann und den kleinen Käferleuten“ in den Straßenschluchten Manhattans massiv Saures („Hulk stark“). Sogar seinem alten Kumpel Rick Jones will Hulk ans Leder. Schnell wird klar, dass mit dem grünen Riesen (und Gründungsmitglied der Avengers) etwas faul ist. Und natürlich steckt Kang hinter dem Angriff, der die Erde als Kornkammer braucht, weil sich seine eroberten Planeten als karg und unfruchtbar erweisen. Wobei ihm die Rächer im Weg sind.
Szenenwechsel: Nach der Hulk-Attacke wollen die Rächer die Fantastischen Vier um Hilfe bitten, befindet sich im Baxter Building doch Reed Richards Zeitmaschine. Doch die FV sind anderweitig beschäftigt. Durch ein Missgeschick, an dem der dusselige Postbote Willie Lumpkin nicht ganz unschuldig ist, gelangt eine kuriose Gestalt in unsere Welt: Sindri, König der Zwerge und Schmied Mjölnirs, Thors Hammer. Wieder entwickelt sich eine feiste, auch mit Wortgewalt dargebrachte Klopperei, an deren Ende Sindri kurzerhand den Abgang macht, was jedoch nicht sein letzter Auftritt in diesem Band sein wird. Und vergessen wir nicht: Im Hintergrund spinnt Kang noch immer seinen Plan weiter…
Dieser Trip zurück in die klassische Rächer-Ära ist wirklich gelungen. Gleichsam eine respektvolle Hommage an die Arbeiten von Stan Lee, Jack Kirby und Don Heck. Seitenlange wortreiche Kämpfe gegen vermeintlich übermächtige Gegner, die schließlich – kurz bevor sie triumphieren – mit List und Tücke besiegt werden können. Dazu gibt’s liebenswerte Gimmicks mit Iron Mans Rüstung (die Rädchen an den Füßen), Spielchen mit der Geheimidentität (Tony Stark/Iron Man und Thor/Don Blake) – man kennt sich schließlich noch nicht so lange. Wasp flirtet kräftig mit ihren Mitstreitern und diverse Cameos sorgen für Schmunzler (u.a. Tante May).
Dabei packt Autor Paul Levitz (vormals ein hohes Tier bei DC, das hier ist seine Marvel-Premiere) mit Sindri einen fast vergessenen Charakter aus (siehe Nachwort) und lässt Postman Lumpkin eine liebenswerte Nebenrolle spielen (er wurde ja im Kino von Stan Lee höchstpersönlich „cameoisiert“). Und im Finale des Bandes, der alle fünf Hefte der US-Miniserie „War across Time“ beinhaltet, baut Levitz mittels der langen und ereignisreichen Avengers-Historie noch eine Brücke in die Gegenwart. Auch die Zeichnungen des britischen Marvel-Routiniers Alan Davis (u.a. Miracleman) passen bestens zur Story und zu deren Ära und lassen ein ums andere Mal wohlig die goldenen Marvel-Zeiten anklingen. Der Band ist auch in einer limitierten Hardcover-Version (siehe links) erhältlich. (bw)
Avengers: Krieg im Zeitstrom
Text & Story: Paul Levitz
Bilder: Alan Davis, Rachelle Rosenberg (Farben)
140 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
17 Euro
ISBN: 978-3-7416-3407-9