Kaputt in der City (Splitter)

August 8, 2023
Kaputt in der City (Splitter Verlag), 
von Matthias Schultheiss, nach Charles Bukowski

Acht Mal die Kehrseite des amerikanischen Traums, acht Mal Stories um Loser, Zyniker, Hartgesottene, vom Schicksal gebeutelte Gestalten – das bringt diese Neuausgabe der visuellen Umsetzungen diverserer Erzählungen von Charles Bukowski, die das deutsche Wunderkind Matthias Schultheiss 1984 damals noch in zwei Bänden („Der lange Job“ und „Kaputt in der City“) im Heyne-Verlag herausbrachte. So können wir nun erstmals in Farbe erleben, wie der Veteran „Henry Becket“ eines schönen Morgens mit goldener Haut und grünen Punkten aufwacht und sich, nachdem ihm weder seine Freundin noch der Arzt helfen können, auf dem Freeway als Scharfschütze betätigt, bis die Polizei ihm den Garaus macht.

Ein nicht näher benannter Säufer wandert durch die Stadt und versucht, „New York für 95 Cent“ zu erleben, von Stunden in billigen Cafés über Missionen bis hin zu einem Job bei der Hochbahn, den er bald wieder schmeißt. Einen „Abstecher nach New Orleans“ macht dann Charlesens Alter Ego Hank Bukowski, der bei einer Tankstelle anheuert und nicht schlecht staunt, als des Nachts die schmucke Elsie bei ihm vorbeikommt und am Folgetag ihre Freundinnen mitbringt. Allesamt Damen aus dem horizontalen Gewerbe, mit denen sich Hank bestens versteht, die der Chef allerdings nicht sehen will, da die Getränke im Nachtdienst doch eher den Taxifahrern vorbehalten sein sollten. Hank wird denunziert und gefeuert, aber kurz darauf kommt es zu einem Überfall, dessen Handschrift Hank nur allzu bekannt vorkommt…

„Zwei Trinker“ lassen sich von einem Mr. Burkart zu harter Arbeit engagieren: Mitten in der Wüste sollen sie ausgediente Schwellen der Eisenbahnlinie stapeln, die Burkart weiterverkauft. Einer der beiden ist ein abgerutschter ehemals gutbürgerlicher Herr, der den Tod seiner Frau nicht verwinden kann und deshalb zur Flasche greift. Lange halten es die beiden Weinsäufer allerdings nicht auf Maloche aus…Charly, angeblich ehemals Boxer namens „Kid Stardust“, will sich im Schlachthof ein paar Kröten verdienen. Die lieben Kollegen lassen ihn ordentlich auflaufen und versuchen, ihn wortwörtlich aufzuarbeiten – was er einige Zeit schluckt, um dann frustriert das Handtuch zu werfen und den „Schulhof“ des amerikanischen Traums wieder mal „als Besiegter“ zu verlassen. Als „Die Killer“ wollten sie eigentlich nicht enden: Harry hat im Leben aufgegeben, seinen Job als Versicherungsverkäufer hingeschmissen, Ehe kaputt, in die Obdachlosigkeit gerutscht ist er. In einem Diner lässt er sich von einem gewissen Bill bequatschen, einen angeblich leichten Einbruch mitzumachen, was ganz gehörig schiefgeht und in einer Gewaltorgie endet…

Kaputt in der City - limitierte Vorzugsausgabe mit Variant-Cover und signiertem Druck
Die bereits vergriffene Vorzugsausgabe

Mit dieser Gesamtausgabe, die bei Splitter vollkommen neu koloriert (und zwar aus der Feder des Schöpfers selbst) alle Bukowski-Adaptionen versammelt, bekommen wir die volle Ladung des zynisch-satirischen Naturalismus, mit der sich der All Time-Grandsigneur des gepflegten Suffs den USA näherte. Eigentlich der Beat-Generation entsprungen, entwickelte Bukowski in seinen Erzählungen und Gedichten seine ganz eigene Sicht auf den amerikanischen Alptraum, der häufig autobiographisch geprägt war und stets um Verlierer, Alkohol, gesellschaftlichen Abstieg, aber auch hämischen Spott gegen das Establishment kreiste.

Sei es der Kriegsveteran Becket oder der (angeblich) ehemalige Boxer „Kid Stardust“: anpacken, nach oben kommen, self reliance, diese zutiefst amerikanischen Werte werden ab absurdum geführt, Jobs werden geschmissen, die Gesellschaft schert sich einen Dreck, Familienleben geht den Bach runter – Hauptsache, der Wein oder der billige Fusel fließen weiter (wie auch bei Bukowski selbst, der bei legendären Lesungen wie etwa in Hamburg gerne mal darauf bestand, dass ein gut gefüllter Kühlschrank voller Müller-Thurgau auf der Bühne stand, wobei das gegen Ende seines Lebens mehr Show als Realität gewesen sein dürfte).

Inszeniert ist die Chose in der Schultheiss-üblichen, stilisierten, ruppigen, direkten Art, die auch Werke wie „Die Haie von Lagos“ so einzigartig machen. Die hier ergänzte Farbe unterstreicht die apokalyptischen Stadtansichten ebenso wie die höllischen Impressionen von Wüste, Schlachthof oder nächtlicher Tankstelle. Damit also eine ebenso erschreckende wie amüsante Achterbahnfahrt durch die Kehrseite dessen, als was sich Amerika stets gerne strahlend versteht. Immer wieder eine Entdeckung wert! Denn, wie schon der begnadete Kabarattist und Spandexhosenträger Georg Ringsgwandl in seinem Audienz-Bericht „Papst gsehng“ weit von sich wies: „Der Papst, der liest Bukowski!“ (hb)

Kaputt in der City
Text & Story: Matthias Schultheiss, nach Charles Bukowski
Bilder: Matthias Schultheiss
160 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-98721-185-0

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