Langweilig ist anders: der Ronin und Meister-Schwertkämpfer Itto Ogami muss sich nicht nur um seinen kleinen Sohn Daigoro kümmern, der noch kaum spricht und den er in einem Kinderwagen untergebracht hat. Er verdingt sich außerdem als Auftragsmörder, um seine Brötchen zu verdienen. Und er ist gezwungen, sich immer wieder seinen Feinden aus dem Yagyu-Clan zu stellen, die ihn jagen und an denen er selbst eigentlich Rache üben will. Denn Ogami ist ein Ronin mit Vergangenheit. Einst hatte er ein wichtiges Amt inne, war Sekundant des Shoguns und fiel dann einer Intrige zum Opfer, für die die Yagyu verantwortlich waren. Nun zieht er, inzwischen berühmt-berüchtigt, durch das Japan der Edo-Zeit (1603-1868).
In den episodischen Abenteuern und Begegnungen, die manchmal mit dem Hauptmotiv zusammenhängen und manches Mal davon losgelöst sind, hilft Itto Ogami beispielsweise einer Gesandtschaft und benutzt dafür Daigoro als Lockvogel, er stellt sich der Rache einer Frau, deren Mann er auf dem Gewissen hat, oder nimmt einen Mordauftrag von einem Dieb an, der ihm augenscheinlich nicht die volle Wahrheit offenbart. Er begegnet einer unglücklichen Fährfrau und verdingt sich als menschlicher Träger, einen Knochenjob, den er nicht ohne einen bestimmten Hintergrundgedanken ausübt. In einem Rückblick verfolgen wir ein Ränkespiel am Hofe des Shoguns, nachdem Ogami das Amt des Sekundanten ergattert hat, sehr zum Leidwesen von Retsudo Yagyu, seinem späteren Erzfeind und Racheziel – was schließlich zum Höhepunkt des Bandes führen wird.
„Lone Wolf & Cub“ (Der einsame Wolf und sein Junges) erschien unter dem Originaltitel „Kozure Ōkami“ von 1970 bis 1976 in Japan, erwies sich als sehr erfolgreich und zog insgesamt sechs (!) Kino-Verfilmungen und eine TV-Serie nach sich. Über die Veröffentlichung in den USA und im Zuge des ersten Manga-Booms kam die Reihe auch zu uns und wurde 1996 von Carlsen verlegt. Es erschienen unter dem Serientitel „Okami“ acht Bände, in dem größeren „Akira“-Format und in westlicher Leserichtung, ehe die die Reihe abgebrochen wurde. Besser machte es dann Panini 2003 bis 2009, wo im Planet Manga Label alle 28 Ausgaben erschienen, allerdings im kleinen Taschenbuch-Format, dafür mit Anmerkungen und Glossar. Und wieder mit den beeindruckenden Titelbildern der US-Ausgaben, die u.a. Größen wie Frank Miller und Bill Sienkiewicz beisteuerten.
Nun bringt Panini die Serie erneut, in größeren, dickeren, opulenten Hardcover-Bänden, mit Schutzumschlag, besserem Papier und besserem Druck. Bibliophil aufgemacht (auch wenn die US-Cover diesmal fehlen, gehörten sie aber auch nicht zum Original). Die Ausgabe nennt sich treffend Master Edition und beinhaltet inzwischen vier Bände, die Nr. 5 erscheint Ende April – ganze zwölf sollen es am Ende werden. Kazuo Koike (u.a. „Lady Snowblood“, „Crying Freeman“) und Zeichner Goseki Kojima kredenzen uns seitenlang fulminante Schwertkämpfe, heftig und voller Dynamik, cineastisch inszeniert, die ohne Worte auskommen. Aber auch sonst nehmen sie sich viel Zeit für stimmungsvolle Sequenzen, eben wenn Ogami fließend filmisch in mehreren Panels durch den Schnee frontal auf die „Kamera“ zusteuert und sich dann in Rückansicht wieder von ihr entfernt.
Söhnchen Daigoro ist bei den Geschichten alles andere als ein wehrloser Statist. Wachsam und streng erzogen ist ihm die Situation seines Vaters und damit seine eigene bewusst. Oft ist er auf sich allein gestellt und immer mitten dabei in den Gefahren, in die sich sein Vater ständig begeben muss. Eine große Rolle spielt außerdem der „Kinderwagen“, der als Allzweckwaffe dient und bei den Kämpfen strategisch eingesetzt wird, womit Feinde immer wieder überrascht werden. Bei seinen realistischen Zeichnungen arbeitet Goseki Kojima mit Grautönen oder in reinem Schwarz-Weiß, die den stets grimmig dreinschauenden Ogami und den stoisch blickenden Daigoro ins rechte Licht setzen. So bietet Panini hier eine schöne Gelegenheit, einen der einflussreichsten Mangas überhaupt (siehe der Gastauftritt in „Usagi Yojimbo“ oder aktuell das dynamische Duo aus dem Mandalorianer und Grogu) in seinem bestmöglichen Gewand zu lesen. (bw)
Lone Wolf & Cub, Band 4 – Master Edition
Text & Story: Kazuo Koike
Bilder: Goseki Kojima
704 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Panini Comics
32 Euro
ISBN: 978-3-7416-3230-3