Dame Tomoe und Usagi verstehen sich mindestens prächtig, was diverse Episoden mit gemeinsam erlebten Abenteuern in der Vergangenheit unter Beweis stellen. Jetzt ist Usagi einmal mehr in seine zweite Heimat, die Geishu Provinz, zurückgekehrt. Dort fühlt er sich wohl und willkommen, dort wacht Tomoe bekanntlich über ihren Herrn, den jungen wie gütigen Fürsten Noriyuki. Die Geschichten in diesem Band sind bis auf einen Zweiteiler abgeschlossen, wobei der rote Faden darin besteht, dass sie von Usagi und Tomoe als dynamisches Duo bestritten werden. Los geht es mit der „Origin“ Tomoes, die von ihr selbst nach einer Übungseinheit mit Usagi in einer Rückblende berichtet wird. Wie sie ihr Talent für den Schwertkampf entdeckte und wie sie schließlich aus der ihr zugetragenen Frauenrolle entkam und zur edlen Leibwächterin des jungen Fürsten aufstieg („Tomoes Geschichte“).
In „Türen“ wird es einmal mehr fantastisch. Als ein offenbar begabter Maler am Hofe vorstellig wird, ist Fürst Noriyuki von dessen Kunst begeistert. Doch dann befällt ihn eine mysteriöse Krankheit, auf die sich zuerst niemand einen Reim machen kann. Hier greift Stan Sakai eine Geschichte aus Band 18 auf und kredenzt mit dem gleichen Motiv eine spannende Episode mit monströsem Action-Finale samt originellem Twist. Weiter geht es mit „Kitsunebi“, der nächsten Story mit fantastischem Touch, der auf japanischen Legenden rund um Reineke Fuchs fußt: Auf einem Spaziergang begegnen Usagi und Tomoe einer Füchsin, die bei Usagi Zuflucht vor Jägern sucht. Sie retten das Tier und finden dann während eines Unwetters Schutz bei einer scheinbar freundlichen Gastgeberin, woran Usagi mehr Freude hat als Tomoe…
Jetzt kommt der Zweiteiler „Das Gespenst im Brunnen“. Hier verbindet Stan Sakai eine alte japanische Geistergeschichte mit einem anfangs unerklärlichen Mord an einem Mitglied einer Handelsdelegation, die mit Fürst Noriyuki ein Abkommen schließen will. Ehe der oder die Täter enttarnt werden, wird sogar Usagi der Tat bezichtigt. Auch hier gibt es einen kleinen Twist am Ende, der gleichzeitig einen Ausblick auf kommende Abenteuer sein mag. In „Diebstahl der Lotosrolle“ trifft Usagi wieder und Tomoe erstmals auf die Trickdiebin und Betrügerin Kitsune, garniert mit viel Action und Wortwitz. Den Abschluss bildet mit „Chanoyu“ ein Highlight der ganz anderen Art: Nachdem Usagi erklärt, wieder auf Reisen gehen zu wollen, will ihn Tomoe mit einer Teezeremonie verabschieden. Diese ist dann auch zentrales Thema der Episode, wird genau in Wort und Bild erklärt und zeigt zugleich einen bittersüßen Abschied voller verborgener Gefühle, die sich der Tradition unterordnen.
Schon fast erschreckend gewohnt zeigt Zeichner und Autor Stan Sakai, wie abwechslungsreich er seine Geschichten zu erzählen vermag. Ob dabei bereits verwendete Motive erneut aufgegriffen werden, oder ob er japanische Legenden, Folklore oder Traditionen wiedergibt oder zur Vorlage nimmt – jede seiner Erzählungen hat das gewisse originelle Etwas, wobei in diesem Band zusätzlich die Anwesenheit Tomoes eine Bereicherung darstellt. Nicht nur für Usagi selbst… Ein Blick auf die US-Ausgaben der Reihe, die bei Dark Horse erscheint und die Stan Sakai ja nach wie vor schreibt und zeichnet, zeigt, dass wir uns da noch auf einiges, was noch kommen wird, freuen können. Der Band schließt mit einer Cover-Galerie, diversen Anmerkungen Sakais zu den Storys und der interessanten Veröffentlichungs-Historie zu „Tomoes Geschichte“. (bw)
Usagi Yojimbo, Band 22: Tomoes Geschichte
Text & Bilder: Stan Sakai
184 Seiten in Schwarz-Weiß, Softcover
Dantes Verlag
20 Euro
ISBN: 978-3-946952-87-9