Die Totenkopfrepublik (Splitter)

Februar 13, 2023

Irgendwo in der Karibik, im Jahr 1718. Kapitän Sylla, heimlicher Anführer der Piraten, gibt seinem Adjutanten Olivier de Vannes das Kommando über ein gekapertes Schiff. Bald darauf trifft der frisch gebackene Kapitän auf einen vermeintlich verlassenen, auf dem Meer treibenden Segler, auf dem jedoch die „Ladung“ das Kommando übernommen hat. Denn die besteht aus afrikanischen Sklaven unter Führung der Königin Maryam, die von ihrem Volk gottgleich verehrt wird. Für de Vannes und seine Mitstreiter ist es selbstverständlich, dass Maryam und ihr Volk bei den Piraten wohlwollend aufgenommen werden. Bald beherrscht Maryam die Grundlagen der Seefahrt und erhält ein eigenes Schiff. Gemeinsam mit Sylla und de Vannes geht sie auf Kaperfahrt. Doch die Engländer, die immer mehr die Region beherrschen, sind den Piraten auf den Fersen…

Drei grundverschiedene Charaktere beherrschen den Band. Da ist einmal Kapitän Sylla, ein rhetorisch begabter Redner, charismatisch, dessen Führungsqualitäten den mangelnden nautischen Sachverstand wettmachen. Mit seiner blonden Mähne und dem immer sauberen weißen Hemd verkörpert er – schon fast mit parodistischen Zügen – den typischen Hollywood Swashbuckler. Dann Olivier de Vannes, eher bescheiden und kaum impulsiv. Ein hervorragender Seemann, der sich den Respekt seiner Männer jedoch immer aufs Neue verdienen muss. Und schließlich Maryam. Die afrikanische Königin. Schweigsam wie bestimmt, stolz und erhaben, mit einer geheimnisvollen Aura. Sie wird immer mehr in den Mittelpunkt der Handlung rücken, auch wenn sie gerade abwesend ist.

Der Band überrascht zu Beginn, dass Sylla als vermeintliche Hauptfigur gleich wieder aus der Story verschwindet (natürlich nur vorläufig). Stattdessen verfolgen wir de Vannes bei seiner Kaperfahrt. Dabei hat sich Autor Vincent Brugeas, der gemeinsam mit seinem Zeichner Ronan Toulhoat auch bereits einen Conan-Band realisiert hat, einen feinen Kniff ausgedacht. Nämlich die besonderen Logbuch-Eintragungen von Olivier de Vannes, anhand derer wir auch dessen Gefühlslage verfolgen können und die sich direkt an den englischen Feind, verkörpert durch einen imaginären Kommodore Jonas, richten.

Bei den gängigen Piraten-Klischees hält sich der Band angenehm und voll beabsichtigt zurück. Holzbeine, Papageien und Augenklappen sucht man hier vergebens. Brugeas und Toulhoat richten ihr Augenmerk vielmehr auf die vielbeschworene Piraten-Ehre und versuchen, das tatsächliche, tägliche Leben der Seeräuber und das Wesen ihrer Gesellschaft zu vermitteln. Man fühlte sich nicht mehr als Untertan, sondern als freie, gleichberechtigte Menschen unabhängig von Hautfarbe und Herkunft, weit weg von dem Joch der vermeintlichen Herren. Neben Freiheit war Demokratie Trumpf. Man wählte Kapitän und Quartiermeister und wählte diese auch wieder ab. Die Beute wurde gerecht verteilt, für Versehrte und Angehörige wurde gesorgt. Auch wenn das Leben beschwerlich und gefährlich und damit auch kurz war – man wählte es dennoch, und damit die Ideale von Freiheit und Gleichheit.

Die Geschichte, die Vincent Brugeas und Ronan Toulhoat hier erzählen, ist zweigeteilt. Zuerst lernen wir die drei Protagonisten kennen und begleiten sie auf ihrem Werdegang. Nach dem ersten Höhepunkt, der schon das Finale sein könnte, geht es weiter, wobei die Story einen zeitlich weiten Bogen spannt, Aber greifen wir nicht vor… Anders als beispielsweise Franck Bonnet, in dessen Serie „USS Constitution“ jedes Schiffsdetail akkurat an seinem Platz ist, setzt Toulhoat auf kraftvolle wie farbenfrohe Bilder und furios inszenierte, auf Doppelseiten präsentierte Enter-Action, die ganz ohne Worte auskommt. „Die Totenkopfrepublik“ ist ein mächtiger Comicband mit einer interessanten wie spannenden Story, die viele Klischees erfolgreich umschifft, ohne dabei die Piratenehre zu verraten. Ein elfseitiges Essay, das sich mit der Piraten-Historie beschäftigt, beschließt den Band. (bw)

Die Totenkopfrepublik
Text & Story: Vincent Brugeas
Bilder: Ronan Toulhoat
224 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
35 Euro

ISBN: 978-3-96792-373-5

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