Nottingham, Band 1 (Splitter)

Dezember 8, 2021
Nottingham, Band 1: Lösegeld für den König (Splitter Verlag)

Kommen wir zuerst zur politischen Lage. Denn die ist im Jahre 1192 in England nicht ganz unkompliziert. König Richard I., den man auch Richard Löwenherz nennt, wurde bei seiner Rückkehr vom dritten Kreuzzug von Leopold, Herzog von Österreich, gefangen genommen. Jetzt wittert Prinz John, Richards Bruder, auch als John Lackland (auf Deutsch Johann Ohneland) bekannt, seine Chance, den Thron und damit die Herrschaft des Reiches (zu dem damals auch weite Teile des heutigen Frankreichs gehörten) zu übernehmen. Was natürlich finanziert werden will. John braucht also Geld. Geld, das bei den Sheriffs zur Genüge angehäuft ist, denn die müssen gerade ihre jährliche Abgabe leisten und sind andererseits von der Gunst Johns abhängig. Eine vermeintliche win-win Situation für Herrn Ohneland. Als Geldeintreiber schickt er den berüchtigten Hugh de Morville (übrigens einer der Mörder von Thomas Becket) nach Nottingham. Doch dort hat König Richard noch Getreue, die das Geld ebenfalls dringend brauchen…

Oft verfilmt, jeder kennt sie – die Legende von Robin Hood. Der Gesetzlose im Sherwood Forest, der mit seinen Männern von den Reichen stiehlt und den Armen gibt. Und der im Sheriff von Nottingham einen fiesen Gegenspieler hat, der bekanntlich auch nicht davor zurückschreckt, Weihnachten abzusagen. Während die Figur des Robin Hood aller Wahrscheinlichkeit nach Fiktion ist, ist der politische Hintergrund des Geschehens – der Streit der Brüder Richard und John um die Krone, Johns Verrat und Richards Gefangennahme (und spätere Freilassung) historisch verbürgt. In ihrem Dreiteiler stellen nun die beiden Autoren Vincent Brugeas (der auch den zweiten Band von „Conan der Cimmerier“ schrieb) und Emmanuel Herzet (u.a. „Zentauren“ bei Bunte Dimensionen) mit dem Sheriff von Nottingham den zentralen Antagonisten der Robin Hood Legende in den Mittelpunkt. Und stülpen die Figur dabei völlig um. Denn hier steht er auf der Seite Richards, hat sogar einen Namen und macht einer gewissen Maid Marian mehr als den Hof. Mehr wollen wir nicht preisgeben…

Zugegeben, es dauert etwas, bis die Geschichte in Fahrt kommt. Bis man weiß, wer hier wer ist und bis die politischen Hintergründe und Motive der Personen geschildert und klar geworden sind. Dann zündet die Story, die natürlich in erster Linie von der originellen Idee lebt und profitiert, dass man hier einen ganz anderen Sheriff von Nottingham präsentiert, der – wie einst Don Vega und heute Clark Kent – ein doppeltes Spiel spielen muss, um sein Ziel zu erreichen. Die Zeichnungen von Benoît Dellac (u.a. „Sonora“, „Orks & Goblins“) sind angenehm realistisch angelegt, ohne Ritter in glänzender Rüstung und ohne Helden in Strumpfhosen. Das Setting punktet wahlweise durch feine Winter- oder Schmuddel-Atmosphäre, wobei in erster Linie Brauntöne dominieren. Ein gelungener Auftakt des Dreiteilers, in dem die Macher ihr originelles Leitmotiv nicht überstrapazieren (werden), was auch der Schluss des Bandes andeutet. Band 2 erscheint in Frankreich im Januar. Auf die Splitter Veröffentlichung werden wir also noch etwas warten müssen. (bw)

Nottingham, Band 1: Lösegeld für den König
Text: Vincent Brugeas, Manu Herzet
Bilder: Benoît Dellac
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96792-159-5

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