Valhalla Hotel, Band 1 (Splitter)

Oktober 13, 2022
Valhalla Hotel, Band 1: Bite the Bullet (Splitter Verlag)

Irgendwo auf schnurgerader Strecke auf einem Highway zwischen San Francisco und Albuquerque, noch vor den Zeiten des Internets. Malone, begeisterter Tischtennis-Fan und sein Schützling Lemmy, den er offenbar ehrgeizig trainiert, sind unterwegs zu einem Qualifikationsturnier für Olympia. In einem Fiat 500. Kurz vor dem Kaff Flatstone gibt der den Geist auf. Die beiden werden vom Sheriff aufgelesen und als vermeintliche „Sodomiten“ eingebuchtet. Bis Hilfssheriff Betty Maloney auftaucht und die zwei Gestrandeten im lokalen Etablissement, dem Valhalla Hotel, einquartiert, bis der Schaden am Wagen repariert ist. Was dauern kann, ist man in der einzigen Werkstatt am Platz doch eher auf die gängigen Ami-Schlitten spezialisiert. Nach einer kleinen Sauftour zurück im Hotel erlebt Malone eine weitere böse Überraschung, die in ungeahnte Abgründe führen mag…

Wo und wie soll man hier anfangen? Bei der irren, völlig durchgeknallten wie brillanten Story, die aus einem wilden Genremix besteht, bei dem jede Szene skurriler ist als die vorherige? Oder bei den nicht minder obskuren bis schrulligen Charakteren? Versuchen wir’s mit einigen Beispielen: Malone, korpulent und ungepflegt – das Shirt reicht nicht ganz, um den Bierbauch zu bedecken – ist nicht gerade eine Leuchte, auch wenn er für den Tischtennis-Sport brennt (der von allen anderen als Ping Pong benannt wird). Lemmy spricht nicht und schaut aus wie Grautvornix mit Björn Borg Gedächtnis-Stirnband. El Loco, ein Mexikaner und offenbar eine Karikatur von Jeff Bridges, ist im Ort nicht beliebt. Er stürmt gerne die Kneipe und gibt dann mit seiner elektrischen Sportguitarre Motörhead Songs zum Besten, ob man sie hören will oder nicht (eher nicht – Stichwort „satanistische Kindermördermusik“).

Dann das Kaff Flatstone. Ein austauschbarer Ort mit kalten Gebäuden, ohne Identität, geschweige denn Flair. Worin sich das Valhalla Hotel mit seinem trocken gelegten Pool bestens einordnet, als eine Art kleiner Bruder des Overlook Hotels. Hier haben die Dirndl tragende Frau Winkler und ihre Tochter das Sagen, beide Teil der etablierten wie zurückgezogen lebenden deutschen Community des Ortes. Zwei Gestalten, denen man nicht trauen sollte. Was Malone natürlich nicht merkt. So. Später wird es wild und wilder. Aber das muss man selbst lesen. Selten musste ich bei der Lektüre eines Comics so lachen, aufgrund der absurden Wendungen, punktgenauen Dialogen und skurrilen Gestalten, die sich hier tummeln. Mit diversen Neo-Western/Road Movie Klischees und Zitaten. Mit schräger, schwarzer Situationskomik und Gesprächen, die von Loriot stammen könnten. Und Charakteren wie aus einem Tarantino Film, der in einem sommerlichen Fargo spielt. Später gesellt sich auch noch atemberaubend inszenierte Action dazu. Und noch mehr…

Überhaupt hat der visuelle Stil, samt den vielen erzählerischen Details, großen Anteil an dem Lesevergnügen: nicht nur die dynamisch und schnittig in Szene gesetzten US-Schlitten (ja, auch der Fiat 500) beeindrucken, auch Gesichtszüge und Mimik passen zu den Charakteren und Situationen. Optische Stilmittel, wie die Visualisierung der monotonen, andauernden Ping-Pong-Geräusche, die beim Sheriff Migräne verursachen, oder eine großzügige, doppelseitige Gesamtansicht des Hotels mit eingefügten Story-Panels bereichern den Band, von der eskalierenden Action-Sequenz in Richtung Finale ganz zu schweigen. Die Reihe ist auf drei Bände angelegt, Band 2 (vielversprechend „Eat the Gun“ betitelt) erscheint leider erst im Februar nächsten Jahres. Das wird eine harte Durststrecke bis dahin. (bw)

Valhalla Hotel, Band 1: Bite the Bullet
Text: Fabien Bedouel, Patrice Perna
Bilder: Fabien Bedouel
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro

ISBN: 978-3-96792-274-5

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