„Drummer looking for other metal musicians to jam with. Influences: Tygers of Pan Tang, Diamond Head and Iron Maiden.“ Mit dieser kleinen Anzeige, die ein gewisser Lars Ulrich im April 1981 im Blättchen The Recycler schaltet, nimmt eine der erstaunlichsten Karrieren der Metalwelt ihren Anfang. Wobei dieser Anfang alles andere als vielversprechend ist: Gitarrist James Hetfield und Bassist Ron McGovney, die nach der Auflösung ihrer Kombo Leather Charm Ersatz suchen, sind alles andere als beeindruckt von dem reichen, verwöhnten, technisch durchaus wenig versierten und auch wohl unangenehm riechenden Gesellen. Der allerdings lässt sich nicht abschütteln und geht den beiden nach einem ausgedehnten England-Aufenthalt, wo er mit seinen Helden von Diamond Head abhängt, so lange auf die Nerven, bis man nochmal probt. Gleichzeitig schwärmt er ihnen von der so genannten NWOBHM vor, die im LA der frühen 80er keiner kennt – immerhin will jeder sein wie Van Halen oder die zahllosen Haarspray-Bands vom Schlage einer Mötley Crüe.
Irgendwas Neues wollen sie machen, härter und schneller, und so nimmt die Sache bald Gestalt an: Lars kommt langsam in Tritt, und mit Dave Mustaine engagiert man einen brillanten Saitenhexer, der sich allerdings durch heftigste Drogen- und Alkoholexzesse als massiver Belastungsfaktor entpuppt. Dennoch gelingt es der Kombo, auf dem ersten Metal Massacre Sampler von Metal Blade-Boss Brian Slagel 1982 einen Song unterzubringen, auch wenn es nur die alte Leather Charm-Nummer „Hit The Lights“ ist. Angeödet von der Glam-Szene, ziehen die Jungs schließlich nach San Francisco, wo ihnen ein deutlich freundlicherer Wind ins Gesicht weht. Komplettiert durch Bass-Wunderknabe Cliff Burton zimmern sie die Songs für ihr Debutalbum zusammen und nehmen auch auf den Club-Bühnen immer mehr Fahrt auf. Mustaine allerdings tanzt immer wieder aus der Reihe, tickt im Rausch völlig aus und wird irgendwann von Hetfield auf die Straße gesetzt, auch wenn diverse Songs von ihm stammen.
Kirk Hammett, noch in Diensten von Paul Beloffs Exodus, fügt sich mit seiner ruhigen Art deutlich nahtloser ins Quartett ein, das für den Plattenerstling 1983 den beschaulichen Titel „Kill ‘em all“ wählt (gemünzt auf die Funktionäre des Labels, die den eigentlich geplanten Titel „Metal Up Your Ass“ inklusive durchaus explizitem Cover entsetzt ablehnen). Mit messerscharfen Riffs, flirrenden Soli und räudiger Attitüde erobern Stücke wie „Phantom Lord“, „Seek And Destroy“ oder auch „The Four Horsemen“ (noch mitgeschrieben von Mustaine, der seine Version mit seiner eigenen Kombo Megadeth unter dem Titel „Mechanix“ aufnimmt) die Headbanger-Gemeinde im Sturm. Man tourt und feiert unermüdlich und schiebt schon im Jahr darauf mit „Ride The Lightning“ eine Scheibe nach, die mit wuchtiger Produktion durch Flemming Rasmussen, halsbrecherischer Geschwindigkeit und vor allem komplexerem Ansatz inklusive echter Melodien („For Whom The Bell Tolls“, „Fade To Black“) – eine Richtung, die vor allem Cliff Burton vorantreibt – einen Quantensprung darstellt.
Wie im Rausch machen sich Metallica ans neue Werk, das dann mit „Master Of Puppets“ den endgültigen Durchbruch in der Metal-Welt markiert: man schreibt ihnen in der Presse die Erfindung des Thrash Metal zu (stimmt nicht ganz, nimmt man aber gerne), frühere Flaggschiffe wie Black Sabbath oder Rainbow wirken altbacken gegen die intelligente Aggression, die wie ein Vorschlaghammer gegen den Glamrock wirkt. Burtons chromatische Zupfmuster und verzerrter Bass-Sound setzen dabei immer neue Maßstäbe. Umjubelte Auftritte bei den Monsters of Rock-Festivals in Castle Donington folgen ebenso wie eine Tour mit Ozzy Osbourne, bevor es dann zur Katastrophe kommt: am 27. September 1986 gerät der Tourbus in Schweden von der Straße ab, kippt um und begräbt Cliff Burton unter sich, der sofort tot ist. Die schockierten Bandkollegen stürzen sich verzweifelt in immer heftiger Alkohol- und Drogenausschweifungen, rekrutieren dann aber dennoch mit Jason Newsted einen neuen Tieftöner, dem allzeit klargemacht wird, dass er nur der ungeliebte Ersatz ist.
Nach einer EP mit Covers (unter anderem „Am I Evil“ von Ulrichs Helden Diamond Head) und weiteren Festival-Auftritten folgt das progressiv angehauchte „…And Justice For All“, berüchtigt für dunkle Atmosphäre (kulminierend im Epos „One“), trockenen Sound und vor allem eine komplett heruntergemischte Bass-Spur. Das alte Strickmuster hat sich allerdings erschöpft, der Glam-Szene ist die Puste längst ausgegangen, und eine aufsteigende Band namens Guns‘n’Roses zeigt, wie mit harter Musik auch Erfolge jenseits der Metalgemeinde einzuheimsen sind. Als man sich Ende der 80er wieder ins Studio zurückzieht, macht man sich unter der Produktionsägide des Hitmachers Bob Rock konsequenterweise auf, um auch die Charts zu erobern – was mit dem Album „Metallica“, umgangssprachlich bekannt als „Black Album“, denn auch formidabel gelingt. Aber in den 90ern geraten schließlich auch Metallica in den Strudel des Grunge, der den Metal klassischer Schule hinwegfegt…
Metallica-Konzerte sind immer etwas Wunderbares. Die Mainstream-Bayern 3-Menge erwartet, dass die Herrschaften zwei Stunden durchgängig „Nothing Else Matters“ spielen und bereiten sich darauf vor, als Zugabe bei „Enter Sandman“ einmal im Leben komplett steilzugehen. Und dann sind da die anderen Anhänger, die seit den Anfangstagen dabei sind und absolut schätzen, dass James Hetfield und Freunde seit Jahren endlich wieder das machen, was sie am besten können: knallharten Thrash Metal, komplex, messerscharf und voll auf die Zwölf. So zu studieren war dies zuletzt auf der „Worldwired“-Tour, bei der nach dem Opener „Hardwired to Self-Destruct“ endgültig Ruhe im Radio-Karton war. Das kennen wir schon seit Jahren, angefangen von den Monsters of Rock 1987 in Nürnberg über die gloriose Live-Rückkehr Anfang der 2000er, die mit der Tour zur ungeliebten „St. Anger“-Scheibe Metallica als Bühnenmacht endlich zurückbrachte.
In ihrer fulminanten Graphic Novel entfalten Autor Jim McCarthy (u.a. 2000 AD) und Zeichner Brian Williamson (u.a. Dr. Who, Torchwood) die in jeder Hinsicht bemerkenswerte Geschichte der einzigen Thrash-Band, die auf nahezu jeder Hochzeitsfeier zu Gehör kommt, kenntnisreich und aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Bandmitglieder und Wegbegleiter berichten jeweils in erzählenden Passagen, die Zeitleiste wird gerne mal durchbrochen (so etwa beginnen die Ereignisse mit dem Erfolg von „Enter Sandman“), und die zentralen Momente erscheinen klar akzentuiert. Auch die psychologischen Abgründe, die der Film „Some Kind Of Monster“ offenlegte, kommen klar zur Sprache, von den Eskapaden eines Dave Mustaine über den verlorenen Posten, auf dem Jason Newsted immer stand, bis hin zur triumphalen Wiedererklimmung des Throns mit Rob Trujillo.
Neben der inhaltlichen Akribie beeindruckt dabei vor allem die Gestaltung, die in bewusst undergroundigem Schwarz-Weiß zentrale Momente entweder stilisiert (Mustaines Drogentrips, der permanente Suff nach Burtons Tod, die wachsende Anhängerschaft mit Fritz Lang-Ästhetik mit einem „M“ in der Hand) oder angelehnt an tatsächliche Szenen darstellt (so erscheinen Elemente aus dem ersten professionellen Video „One“ ebenso wie Bon Jovis Castle Donington-Auftritt, über den man sich wegen des absichtlichen Hubschrauberüberflugs der Glam-Helden kollektiv echauffiert, und auch Hetfields Feuerunfall auf der gemeinsamen Headliner-Tour mit Guns n’Roses darf nicht fehlen, nach dem es Axl Rose vorzog, lieber der Fanrandale zuzuschauen als mit einem längeren Set die Gemüter zu besänftigen).
Fetzen von Songtexten durchziehen oft das Bild, auch John Donnes Gedicht „For Whom the Bell Tolls“ kommt zur Sprache (wer sich immer gefragt hat, für wen diese Glocke denn bimmelt: it tolls for you), Kirk Hammetts Gitarren mit Motiven aus klassischen Horrorfilmen wie „White Zombie“ oder „The Mummy“ geben sich die Ehre – über den Kenntnisreichtum und die Detailfreude der Macher kann man nur staunen. So ergibt sich ein knalliges Lesevergnügen, das vor allem denjenigen diebische Freude machen sollten, die wie wir Ende der 80er im Kollegstufenraum unsere Miteleven durch „Battery“ und „Master of Puppets“ in den Wahnsinn trieben. Denn genau die sind heute auch auf den Metallica-Konzerten. Auf den Rängen, wo sie zwei Stunden auf „Nothing Else Matters“ warten… (hb)
Metallica: Nothing Else Matters
Text: Jim McCarthy
Bilder: Brian Williamson
168 Seiten in Schwarz-Weiß, Hardcover
Panini Comics
25 Euro
ISBN: 978-3-7416-2173-4