Tomahawk (Splitter)

August 17, 2021
Tomahawk (Splitter Verlag)

Nordamerika, in Neuengland und dem heutigen Grenzgebiet zwischen den USA und Kanada, im Juni 1758. Während die Franzosen über Wasserläufe und Seen das Landesinnere für sich einnahmen, beanspruchen die Briten die Küstenregionen. Im Nordosten des Kontinents stehen sich die beiden Nationen, unterstützt durch diverse Indianerstämme, nun feindlich gegenüber. Später wird man den Konflikt, der auch Europa erfasst, den Siebenjährigen Krieg nennen. Im Fort Carillon bereiten sich französische Milizionäre auf einen Angriff der Briten vor, deren Highlander-Vorhut bereits die Wälder durchstreift. Nur einer, der Waldläufer Jean Malavoy, hat kein Interesse am Krieg. Denn in der Wildnis wurde ein riesiger Grizzly gesehen – genau das Exemplar, das Jean seit Jahren sucht. Genau der kolossale Bär, der einst seine Mutter tötete. Wie später Kapitän Ahab, der voller Hass seinen weißen Wal jagt, wird auch Jean von tiefen Rachegelüsten getrieben. So macht er sich auf in die Wälder zu einer Jagd, die jedoch so ganz anders verlaufen wird, als geplant…

Nach einem durchaus gelungenen Ausflug in die Südsee („Vanikoro“) kehrt Autor und Zeichner Patrick Prugne wieder in die Wälder Neuenglands und Quebecs zurück. Dieses Mal spielt seine Geschichte im historischen Kontext des Siebenjährigen Krieges (1756-1763), der in Nordamerika als Kolonialkrieg (French and Indian War) bereits 1754 begann und in dessen Folge Frankreich seine dortigen Kolonien verlieren sollte. Fort Carillon behauptete sich dabei gegen eine britische Übermacht, sollte bald dennoch an die Briten fallen und in Fort Ticonderoga umbenannt werden (s.a. „Ticonderoga“, von Hugo Pratt und Héctor Oesterheld, bei avant erschienen). Der persönliche Rachefeldzug des Trappers Jean Malavoy – seine sture Jagd auf den Bär – verkompliziert sich schnell. Jean gabelt einen jungen, unerfahrenen Soldaten auf (später im Weste(r)n würde man Greenhorn sagen) und muss sich gegen brutale schottische Highlander erwehren, die ebenfalls den Bären als Trophäe jagen (während die Mohawk, eigentlich Verbündete der Briten, das Tier als Herrscher des Waldes achten und sogar verehren).

Schließlich durchkreuzt Prugne die vermeintliche Rachestory vollends und gibt dem Geschehen eine ganz andere, überraschende Wendung. Wobei er gleichzeitig eine schlüssige Erklärung liefert, warum der Bär ausgerechnet wieder in Jeans Nähe auftaucht, so weit weg von dem Ort, an dem er einst dessen Mutter tötete. Somit „entlastet“ und entmystifiziert Prugne das Tier, die vermeintliche Bestie, gleichermaßen. Doch greifen wir nicht vor. Die Hauptfigur des Bandes ist der unkonventionelle Waldläufer Jean Malavoy, der wie sein berühmter Kollege Natty Bumppo lieber in den Wäldern und unter Indianern lebt als in der „Zivilisation“. Seine Lebensgefährtin ist eine Indianerin, ihr Bruder ein guter Freund, der später selbst in den Wäldern nach Jean suchen und das letzte Puzzleteil zur Auflösung der Geschichte beitragen wird.

Die überraschende und spannend konstruierte Story ist das eine. Das andere sind einmal mehr die Zeichnungen. Patrick Prugne inszeniert seine Wälder nicht finster und undurchdringlich. Vielmehr setzt er wie immer auf sanfte, durchaus farbenfrohe Aquarelltöne, was viele Panels wie Gemälde und v.a. die wortlosen Sequenzen künstlerisch elegant aussehen lässt. Immer wieder bindet er Tiere in seine Zeichnungen ein, die Natur erscheint so eher wild romantisch als bedrohlich. Wahre Gefahren birgt wie immer scheinbar nur der Mensch. Bei seinen Recherchen und Zeichnungen hat sich Prugne u.a. von dem Maler Robert Griffing inspirieren lassen, dessen Fachgebiet zeitgenössische Indianerportraits sind. In dem wie immer ausführlichen Anhang (immerhin 30 Seiten!) schildert Prugne auch den weiteren Werdegang seiner Figuren, gefolgt von etlichen (Aquarell-) Skizzen, Bildern und Charakterstudien, die einmal mehr eindrucksvoll belegen, wie intensiv er sich mit der Zeit und der Indianerkultur beschäftigte. (bw)

Tomahawk
Text & Bilder: Patrick Prugne
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22 Euro

ISBN: 978-3-96792-047-5

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