Taiwan – Eine politische Satire (Chinabooks)

Juli 15, 2021
Taiwan - Eine politische Satire (Chinabooks)

„Made in Taiwan“, dieses Markenzeichnen begegnete uns Kindern der 70er permanent insbesondere auf Spielzeugen und Alltagsgegenständen. Zu der Zeit avancierte die „Republik China“ nämlich zu einem der so genannten Tigerstaaten, also jener asiatischen Regionen, die sich wie Korea und Hong Kong durch Emsigkeit und Produktivität von aufstrebenden Märkten hin zu veritablen Wirtschaftsmächten entwickelten und die westlichen Ökonomien durchaus ins Schwitzen brachten. Was uns nicht klar war: das kleine Inselreich vor dem gigantischen Festland China war und ist seit jeher Zankapfel und Spielball politischer Interessen. Rege unterhält und streitet man sich über den Einfluss Chinas, mittlerweile selbst zur wirtschaftlichen Weltmacht emporgestiegen, und wünscht sich wahlweise eine stärkere Unabhängigkeit oder eine Annäherung. Aber auch im internationalen Spiel mischt Taiwan mit, als strategisch wichtiger Ankerpunkt für die alten Supermächte USA und Russland.

Aus den daraus entstehenden Absonderlichkeiten und hitzigen Diskussionen bastelte der taiwanesische Karikaturist Lao Pei (ein Pseudonym eines Zeichners aus der Hauptstadt Taipeh, der es vorzieht, unerkannt zu bleiben) von September 2013 bis Juni 2015 eine Serie von Cartoons, die sich in unterschiedlichsten Blickwinkel dem Parteiengeplänkel, Machtdünkel und der Borniertheit der öffentlichen Diskussion näherte. Und das auf politisch komplett unkorrekte und süffisante Weise, wie der Originaltitel der Reihe „Taiwan beim Urologen“ schon erkennen lässt. Vollkommen respektlos zieht Lao Pei die Parteienlandschaft, die abwechselnde Anbiederung an China, Russland oder die USA durch den Kakao. In unterschiedlichsten kleinen Szenenfolgen treten symbolträchtige Figuren auf: ROC Glanzbaby, die Parodie eines Maskottchens der Republik China (Taiwan) mit einer Brille in Form der 100 Jahre (zum Gedenken ans Hundertjährige Bestehen), balgt sich des Öfteren mit zwei streitbaren Familienmitgliedern.

Der blaue Schlumpf steht für die gefühlt ewig regierende Einheitspartei Kuomintang, der reichlich naiv und stupide daherkommt und so die Arroganz der Alleinherrscher symbolisiert, die für sich reklamieren, die erste Demokratie Asiens gegründet zu haben und auf lange Sicht die Annäherung an den großen Festland-Bruder sucht. Sein Widersacher ist der Grüne Kobold, nicht zu verwechseln, aber dennoch angelehnt an den gleichnamigen Erzfeind Peter Parkers: so steht dieser Giftzwerg für die pan-grüne Koalition, die sich vehement von Festland-China abgrenzt und auf die Unabhängigkeit Taiwans pocht. Genüsslich zerpflückt Lao Pei die Selbstverliebtheit und Engstirnigkeit beider Gruppierungen, die die Realität jeweils durchaus verzerrt sehen und China entweder in Bausch und Bogen ablehnen, die eigenen Unzulänglichkeiten (wie etwa Lebensmittelskandale im eigenen Lande, nur vermeintliche Medienfreiheit und Korruption) und Opportunismus nicht sehen können/wollen und sich so eins ums andere Male der Lächerlichkeit preisgeben. Stets begleitet wird dieses Trio von den ebenfalls in den gängigen Tiergestalten auftretenden Protagonisten China (ein riesiger Panda), Russland (natürlich als Bär) und den USA (ein Weißkopf-Adler in Uncle Sam-Outfit).

Diese Kanonade von Satiren, die eigentlich auf den taiwanesischen Leser abgezielt war, fand zu Hause allerdings kaum Anklang, sondern erfreute sich vor allem ausgerechnet in Festland-China einiger Beliebtheit. Offenbar traf der Pfeil die oft kanonisch china-kritischen Landsleute dann wohl doch ein wenig zu schmerzhaft, wie auch der Autor selbst feststellt: „Meine Cartoons dagegen werfen, so hoffe ich, aus einer anderen Perspektive als der taiwanische Mainstream ein Licht auf die taiwanisch-chinesischen Beziehungen und reflektieren dabei auch die blinden Flecken und Irrtümer in unserer eigenen Wahrnehmung – hoffentlich zur Freude meiner Leser.“ Im Chinabooks Verlag erscheint diese Cartoonsammlung wie gewohnt zweisprachig und dankenswerterweise mit vielen Fußnoten und Erläuterungen, die die Satire in den richtigen Kontext setzen und somit auch für Leser verständlich macht, die nicht so nahe am Geschehen sind wie der blaue Schlumpf und der grüne Kobold. Ein Stück lebendige, respektlose, hinterlistige und bissige Kritik, das in dieser Form auch für ein westliches Publikum durchaus spannende Einblicke liefert. (hb)

Taiwan – Eine politische Satire
Text & Bilder: Lao Pei
250 Seiten in Farbe, Softcover
Chinabooks
19 Euro

ISBN: 978-3-905816-86-0

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