Joe Shuster (Carlsen)

Januar 3, 2019

Einhundertdreissig Dollar mag im Jahre 1938 eine Menge Geld gewesen sein, so auch für zwei junge Männer aus Cleveland, für die ein Traum wahr wurde, indem sie eine Comic-Story mit einer neuen, selbst kreierten Figur verkauften. Blöd nur, dass sie in ihrer Begeisterung und jugendlicher Naivität damit auch gleich die Rechte an der Figur abtraten und noch blöder, dass die Figur Superman hieß. Zwar blieben Autor Jerry Siegel und Zeichner Joe Shuster noch Jahre für den Verlag National Periodicals (später DC) tätig und schrieben weiter Geschichten mit dem rasant an Popularität gewinnenden Helden, der ein ganz neues Genre begründen sollte, doch gleich der Beginn ihrer Superman-Karriere markierte auch den Beginn ihres langen Leidensweges. Denn während der Verlag, bzw. dessen Leiter und Besitzer sich eine goldene Nase verdienten – zuerst an den Comics, die sich wie warme Semmeln verkauften, dann an Merchandise Produkten, an Radio-Shows und später auch an Kino-Serials – wurden Siegel und Shuster anfangs wenigstens noch entlohnt, später dann, als sie begannen, aufzubegehren, wie lästige Anhängsel behandelt und schließlich entlassen.

An den Erfolg von Superman konnten die beiden nie mehr auch nur annähernd anknüpfen – eine neue Kreation namens Funnyman erwies sich als veritabler Flop. Während Joe Shusters Augen immer mehr nachließen, musste er sich mit zwielichtigen Illustrations-Aufträgen über Wasser halten, gab das Zeichnen schließlich ganz auf und übernahm Gelegenheits-Jobs. Shusters und Siegels Wege hatten sich da schon getrennt und mit dem Nachlassen der Gesundheit bei beiden schwanden auch die Hoffnung und die Kräfte, die Rechte an ihrer berühmtesten Schöpfung zurück zu erstreiten. Erst 37 Jahre später, als der Kinofilm mit Christopher Reeve als Superman vorbereitet wurde und Jerry Siegel deshalb einen offenen Brandbrief an Comic-Schaffende verschickte, in dem er direkt und verzweifelt auf das ihnen widerfahrene himmelschreiende Unrecht aufmerksam machte, setze sich Batman-Ikone Neal Adams für die beiden ein und machte deren Schicksal publik. Um schlechte Publicity für den Film zu vermeiden – Siegel forderte offen einen Boykott des Streifens – einigte man sich 1975 schließlich: Joe Shuster und Jerry Siegel wurden wieder als Urheber Supermans genannt und beide bekamen eine Jahres-Rente, die ihr Auskommen sicherte – Shuster war zuvor sogar kurze Zeit obdachlos…

Comicfans ist die tragische Geschichte der beiden Superman-Schöpfer durchaus bekannt. Unzufriedene Zeichner, die mit Figuren arbeiteten, die ihnen nicht gehörten, gab es in der Historie des Mediums zuhauf. Ob André Franquin (Spirou), Alan Moore (u.a. Watchmen) oder Todd McFarlane, der schließlich mit Image einen Verlag mitbegründete, bei dem die Autoren die Rechte an ihren Figuren behielten. Aber niemandem dieser Comic-Schaffenden widerfuhr eine Tragik, wie Siegel und Shuster, die in ihrer Jugend voller Enthusiasmus Pulp Hefte verschlangen und aus einer Superhelden-Ursuppe aus John Carter, Buck Rogers, Flash Gordon und Zorro ihren Superman und damit ein ganz neues Genre schufen, das binnen kurzer Zeit nicht mehr aus der amerikanischen Populärkultur wegzudenken war und bis heute v.a. durch Kinoverfilmungen Milliarden einbringt. Ohne Superman kein Spider-Man. Dass Jerry Siegel Anfang der sechziger Jahre sogar kurze Zeit für Marvel und damit für Stan Lee arbeitete, ist da wahrlich eine kuriose wie bitter ironische Randnotiz der Comic-Geschichte.

Autor dieser Joe Shuster Comic-Biographie (und damit auch weitestgehend der von Jerry Siegel) ist der in New York lebende Julian Voloj („Die Judenbuche“, „Ghetto Brother“). Er setzt die bekannten biographischen Daten nicht nur in einen angenehmen narrativen Kontext, wobei er akribisch die Entstehungsgeschichte Supermans und damit auch die Jugend der beiden Schöpfer schildert, er stieß bei seiner Recherche-Arbeit auch auf einen bisher kaum beachteten Briefverkehr inklusive diverser Dokumente von Joe Shuster, der genaue Einblicke in die lange, demütigende Leidensgeschichte des Zeichners gab, was in das Buch emotional mit einfloss. Die Bilder des Italieners Thomas Campi sind dabei gemäldeartig in bunten Farben gehalten, wobei die Zeichnungen der Rahmenhandlung (eben als Shuster als Obdachloser aufgegriffen wird und einem Polizisten seine Geschichte erzählt) mit Tuscheumrandungen versehen ist. Das Buch endet im Dezember 1975, als Siegel und Shuster eine Jahresrente von Warner Brothers (den Besitzern von DC) zugesprochen bekamen und so wenigstens ihren Lebensabend (sie starben 1996 und 1992) ohne Geldsorgen verbringen konnten (reich wurden sie deshalb freilich noch lange nicht). Aber die Jahre davor, die ihnen in finanzieller Sicht gestohlen wurden, hatten ihre tiefen Spuren hinterlassen. (bw)

Joe Shuster – Vater der Superhelden
Text: Julian Voloj
Bilder: Thomas Campi
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
19,99 Euro

ISBN: 978-3-551-76920-6

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