Sasmira, Band 3 (Splitter)

September 12, 2018

Laurent Vicomtes „neue“ Reihe „Sasmira“ feierte hierzulande 1998 noch im alten Splitter Verlag ihr Debut. Kurz zuvor veröffentlichte der Carlsen Verlag Pierre Makyos und Vicomtes „Reise ans Ende der Welt“ im Rahmen seines 30-jährigen Comic-Jubiläums als wertige Gesamtausgabe im Schuber (Vicomte wurde mit der Serie bekannt, verließ sie aber nach dem vierten Band). Der Auftakt von „Sasmira“ zeigte dann auch einige Parallelen zu „Reise ans Ende…“ (beide Male verschlug es den Protagonisten in eine andere Welt, sei sie parallel existierend oder vergangen) und bestach wieder durch eine ausgeklügelte, spannende Handlung, die in bezaubernden, detaillierten und romantisierten Bildern festgehalten wurde. In Band 1 von „Sasmira“ stellte Vicomte (hier nun auch als Autor) etliche Rätsel auf und schuf eine faszinierende Geschichte durch die Zeiten, die des Musikers Stanislas, der sich von einer Dame auf einem Foto aus dem Jahre 1908 magisch angezogen fühlt und sich schließlich gemeinsam mit seiner Freundin Bertille in ebenjener Zeit an ebenjenem Ort wiederfindet und dort das Geheimnis um die Dame namens Sasmira zu lösen versucht.

Ein fesselndes, faszinierendes Album, das in Frankreich zum Bestseller wurde und diverse Auszeichnungen erhielt. Man war gespannt auf die Fortsetzung, wollte wie Stanislas mehr über die geheimnisvolle Schönheit mit dem melancholischen Blick erfahren. Doch es kam erst einmal lange Zeit… nichts. Band 1 („Der Ruf“) erschien in Frankreich 1997 und man musste sich bis 2011, also unglaubliche 15 Jahre (!) gedulden, bis Vicomte endlich die Fortsetzung präsentierte („Der falsche Ton“). Die zeichnete er nicht ganz zur Hälfte, dann beschränkte er sich auf den Autoren-Job und überließ die Zeichnungen dem relativ unbekannten Claude Pelet, was einen deutlichen optischen Bruch im Album erkennbar machte. Der neue Splitter Verlag veröffentlichte die beiden Alben dann erneut bzw. erstmals im Jahre 2012. Somit zeichnete Vicomte in 30 Jahren ganze fünfeinhalb Comic-Alben („Reise ans Ende…“ startete 1982), denn bei dem jetzt erschienen Band 3 – nach lächerlichen sechs Jahren Wartezeit – fungiert er auch nur als Autor, während Anaïs Bernabé, die u.a. für das Videogame Assassin’s Creed Konzeptzeichnungen entwarf, die Bilder übernimmt.

Sasmira: das alte Foto, mit dem alles begann

Damit hält ein dritter Zeichenstil Einzug in die Serie, doch die inhaltliche Geschlossenheit der Story und die langen zeitlichen Abstände der Alben mindern diesen Faktor ab, auch wenn keiner der „Nachfolger“ an Vicomtes Stil auch nur ansatzweise heranreicht. Trotzdem sollte man Band 1+2 nochmals lesen – man wird erkennen, dass sich Vicomte bei seiner Geschichte an einen Masterplan hält und auch nach Jahrzehnten keine Details vergisst. So spielt die rote Schachtel, die die sterbende alte Frau (deren Identität noch zu klären ist) zu Beginn von Band 1 hält, hier erstmals eine Rolle. Erfuhren wir am Ende des zweiten Teils, dass Sasmira eine ägyptische Prinzessin war, die mit ewiger Jugend „gesegnet“ und beinahe 4300 Jahre alt ist, tauchen wir hier in Rückblenden tief in die Vergangenheit der geheimnisvollen Schönheit ein und lernen ihr Schicksal (u.a. eine Variante von Dumas’ „Der Mann mit der eisernen Maske“) kennen und wie sie schließlich nach Frankreich gelangte. Und im Jahr 1908 steht Stanislas zwischen zwei Frauen: Seiner Freundin Bertille, die immer schwächer wird und vorzeitig zu altern droht und Sasmira, die immer wieder und immer ungenierter versucht, ihn zu verführen.

Dabei werden neben Sasmiras Herkunft diverse Rätsel gelöst. Wir erkennen die Bedeutung des Skarabäus-Rings und warum es zwei davon gibt, erfahren was Sasmira und Prudence miteinander verbindet (Prudence arbeitet an einer Lösung, Stanislas und Bertille wieder in ihre Zeit zu bringen). Anderes bleibt mysteriös, wobei Sasmira gegen Ende geradezu dämonische Züge offenbart, als die Situation im Jahre 1908 zu eskalieren droht (wir wissen ja, dass das Herrenhaus bereits ein Jahr später verlassen sein wird). Mehr wird nicht verraten. Auch wenn Band 2 und 3 nicht mehr ganz die immens hohen Erwartungen, die nach dem Auftakt entstanden, erfüllen konnten und können (die Zeichnungen, Fantasy-Elemente, die „rational“ erklärt werden) umgibt die Serie weiterhin eine mystisch romantische Aura, die die Handschrift Vicomtes erkennen lässt. Und das Beste: der abschließende Band 4 soll – wieder von Anaïs Bernabé gestaltet – tatsächlich bereits im Oktober diesen Jahres erscheinen! Ob Laurent Vicomte überhaupt nochmal einen Zeichenstift in die Hand nimmt, steht dabei weiter in den Sternen. Wie wichtig er dennoch für den franko-belgischen Comic angesehen wird, zeigt auch die Tatsache, dass anlässlich des Erscheinens von Band 2 eigens ein Dokumentarfilm über ihn und seine Reihe produziert wurde. (bw)

Sasmira, Band 3: Nichts
Text: Laurent Vicomte
Bilder: Anaïs Bernabé
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-86869-481-9

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