Arizona, 1875. Zehn Jahre nach Ende des Sezessionskrieges ist der Westen noch immer wild. So hat es sich der US Marshal Colonel Terrence B. Helena zur Aufgabe gemacht, einer Bande marodierender Outlaws das Handwerk zu legen. Ungewöhnlich: die Bandenmitglieder sind Schwarze und ihr Anführer ein Weißer. Helena will River Bass als Deputy Marshal engagieren. Bass ist ebenfalls schwarz und besitzt mit seiner Familie eine kleine, karge Farm. Deshalb kann er das Geld gut gebrauchen, nimmt das Angebot an und lässt sich unter falschem Namen in die Gang einschleusen. Deren Chef nennt sich ganz bescheiden „Milord“ und lockt verheißungsvoll schwarze Mitstreiter an, indem er behauptet, ein eigenes Reich für die „Neger“ aufbauen zu wollen. Aber natürlich geht es dem Erzschurken, der morden und rauben lässt, nur um sich selbst. Bass kann – soweit dies möglich ist – das Vertrauen des skrupellosen Milords gewinnen. Dann jedoch fliegt er auf und soll hingerichtet werden, während die Bande den nächsten Ort plündert. Doch Bass gibt sich nicht mit dem ihm zugedachten Schicksal ab und weiß sich zu wehren…
Eine neue Western-Reihe, bei der das Gesamtbild zählt. Und eine, die aufgrund der Thematik nicht der Versuchung erliegt, die Rassenkarte mit erhobenem Zeigefinger auszuspielen. Zwar wird der farbige Bass engagiert, um die Bande heimlich auszukundschaften. Und die „Neger“ haben keinen leichten Stand. Aber Colonel Helena behandelt Bass respektvoll und höflich und in dem weiteren Verlauf spielen Hautfarbe und Herkunft (fast) keine Rolle mehr. Vielmehr wird die Handlung gradlinig und schnörkellos erzählt. Der wortkarge Bass mit dem markanten Bowler Hut lässt sich des Geldes wegen engagieren. Er ist clever, mutig und weiß den charismatischen wie grausamen Milord, der ausschaut wie der böse Bruder von Buffalo Bill, mit klugen Sprüchen für sich einzunehmen. Scheinbar. Denn der über seine Bande absolutistisch herrschende Milord lockt die Verfolger um Colonel Helena auf eine falsche Fährte und entlarvt Bass und dessen falsche Identität. Zum Gesamtbild gehört natürlich auch die Optik. Zwar erinnern Cover und Schriftzug an Blueberry und den klassischen franko-belgischen Western-Stil, den Jean Giraud prägte, die Zeichnungen im Innenteil und die Kolorierung entfernen sich dann aber massiv davon und lehnen sich angenehm an die Werke Richard Corbens an, vielleicht mit Anklängen an Antonio Hernández Palacios. Kräftige Farben und Charakterköpfe bestimmen das Bild, oft leicht überzeichnet dargestellt und an zeitgenössische Portraits erinnernd.
Verantwortlich für die Reihe sind zwei Kroaten, die ansonsten eher in der amerikanischen Comiclandschaft beheimatet sind. So schrieb Darko Macan bereits Star Wars Comics und war sogar für Disney tätig. Zeichner Igor Kordey arbeitete lange für Marvel (u.a. X-Men), immer wieder mit Macan und war auch schon einmal Gast beim Comicsalon in Erlangen, als seine Reihe „Smoke“ bei Ehapa erschien. Mit „Marshal Bass“ üben sich beide im franko-belgischen Albumformat und liefern einen kurzweiligen Auftakt ab, bei dem es bisweilen heftig zur Sache geht. Noch ein Nachtrag zu den Zeichnungen: Die einzelnen Akte bzw. Szenenwechsel werden von beeindruckenden Panoramen eingeleitet, was in einem Fall in einem Doppelseitigen Tableau gipfelt, an dem man sich erst einmal sattsehen muss. Übrigens basiert die Hauptfigur auf einem historischen Vorbild: Bass Reeves (1838-1910) war tatsächlich der erste schwarze US Deputy Marshal und konnte eine beachtliche Karriere aufweisen. Er soll über 3.000 Gauner geschnappt haben und schloss seine berufliche Laufbahn mit einem Bodycount von 14 ab. Auch unser Bass hier schreitet mutig und gesetzestreu zur Tat – ein neuer Auftrag in Form von Band 2 ist ihm sicher, der im Original bei Delcourt bereits erschienen ist. (bw)
Marshal Bass, Band 1: Black & White
Text: Darko Macan
Bilder: Igor Kordey, Desko (Farben)
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-091-0