Blüten, Koks und blaues Blut (Schreiber & Leser)

März 21, 2018

September 1946. Ein vermeintlich einfacher Auftrag führt Nestor Burma an die Côte d’Azur nach Cannes. Dort soll er auf einen adeligen Klienten, den Grafen Fabregues aufpassen, der sich überwacht fühlt. Doch daraus wird nichts. Erst trifft Burma zwei ehemalige Mitarbeiter seiner Detektei Fiat Lux, die hier hergezogen sind und dann muss er auch noch feststellen, dass der Graf tot ist. Selbstmord. Aber warum? Sofort hält Burma seine Spürnase in den Wind und ermittelt auf eigene Faust, zum Leidwesen von Kommissar Pellegrini. Bald ergeben sich für Nestor erste Zusammenhänge. Der Graf, so scheint es, stand kurz vor der Pleite. Seine Mätresse, die Tänzerin Jacqueline, konnte er schon nicht mehr finanzieren. Dazu kommt: im Casino in Monaco zahlte er vor seinem Tod mit Falschgeld. Woher stammen die Blüten? Und wem schickte er den dritten Abschiedsbrief, der bisher unauffindbar ist? Burma, der später seine Assistentin Helene aus Paris zur Unterstützung anfordert, macht den Kupferstecher Jean Lebrot ausfindig, der eine Verbindung zum Grafen zu haben scheint. Und welche Rolle spielt die schwer kokainsüchtige Schriftstellerin Raymonde Saint-Cernin, bei der offenbar zahlreiche Fäden des Falls zusammenlaufen ?

Kein verregnetes, düsteres, graues Paris dieses Mal. Die französische Hauptstadt, der gängige Schauplatz der Romane Léo Malets um seinen Helden, den Privatdetektiv Nestor Burma, wird hier gegen die schillernde Côte d’Azur eingetauscht. Doch auch hier, in der mondänen Heimat der (vermeintlichen) Reichen gibt es finstere Löcher, in denen Ratten, sprich Gauner hausen. Die mit der Gier und dem Ansehen jener spielen. Der Selbstmord des Grafen Fabregues bleibt auch ein Selbstmord. Doch wird der Adelige nicht das letzte Opfer in dem Fall bleiben, der sich – ganz typisch bei Malets Geschichten – nach und nach entwickelt. Man muss schon aufpassen, die Mitwirkenden immer richtig zuzuordnen – das Personenregister am Anfang des Bandes erweist sich dabei einmal mehr als nützlich. Anfänglich lose Fäden und vermeintlich unwichtige Begebenheiten formen sich nach und nach zu wichtigen Details. Wie immer taucht man tief ein in das Geflecht aus Personen und deren Beziehungen untereinander, seien sie offen oder geheim. Burma zieht messerscharfe Schlüsse und kombiniert – wobei nicht gleich alles dem Leser offenbart wird, was natürlich den Reiz der Story und die Spannung darin ausmacht.

Trotzdem des sonnigen Schauplatzes verbleiben Noir-Elemente in der Geschichte. Burma fungiert wie gewohnt als Ich-Erzähler und spart nicht mit lakonischen und selbstironischen Kommentaren („Bei Fiat Lux kann man es weit bringen, vorausgesetzt man steigt rechtzeitig aus.“). Er ist kein Kostverächter, trinkt gerne mal einen Schluck zu viel und zeigt keinerlei Scheu beim Umgang mit Damen. Überhaupt: ob Adel oder Ex-Knacki, Burma schert alle über denselben Kamm. Dreck am Stecken kann schließlich jeder haben, was die dunkle Vergangenheit diverser Akteure in dem Band beweist. Dass jeder, den er trifft, irgendwie mit dem Fall zu tun hat, kann man als Zufall oder als Kniff Malets auffassen. Und der Taxifahrer – zufällig immer der Gleiche – sorgt für einen veritablen Running Gag. Der Band stammt wieder aus der Feder, bzw. dem Stift des Franzosen Emmanuel Moynot, der damit bereits seine fünfte Malet/Burma-Roman-Adaption beim Verlag Schreiber & Leser vorlegt (zwei weitere stammen von Nicolas Barral). Dabei trägt Burma noch immer die Gesichtszüge und das Aussehen, das ihn einst Jacques Tardi verlieh. Ansonsten lässt Moynot seinen eigenen Stil einfließen und vor allem durch die kräftigen Farben schafft er hier eine mediterrane Atmosphäre, die eine angenehme Frische in den Band bringt. (bw)

Blüten, Koks und blaues Blut
Text: Emmanuel Moynot, nach Léo Malet
Bilder: Emmanuel Moynot
80 Seiten in Farbe, Hardcover, Kleinformat
Verlag Schreiber & Leser
18,80 Euro

ISBN: 978-3-946337-51-5

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