Schatten der Shinobi (Splitter)

März 2, 2018

Intrigen und Verschwörungen, wohin man schaut: seit vor Jahren ihre drei Kinder entführt wurden und auch noch ihr Mann zu Tode kam, regiert die Kaiserin Hiroyo alleine mit ihrem Shogun. Ihre Lehensherren, die Daimyos, sind ihr nur zum Teil treu ergeben. Teilweise sägen die Herren auch ganz gewaltig an ihrem Stuhl und schrecken dabei vor wenig zurück. Doch auch andere Aspiranten formieren sich: da ist zum Beispiel der machthungrige Takeda, der ein ganz perfides Spiel spielt. Als Onshi, die Tochter des kaisertreuen Daimyos Tokugawa, in einem Waldstück von Banditen überfallen und ermordet wird, bietet er eilfertig seine Hilfe an. Unterstützt von dem Ronin Minoru, einem herrenlosen Samurai, der vor kurzem zu seinen Truppen gestoßen ist, fällt Takeda mit seinen Männern über ein Lager von harmlosen Dieben her und massakriert sie, um schnell ein paar Schuldige präsentieren und sich so bei seinem Besucher, den hinterhältigen Ashikaga, als viel besserer Kandidat für den lokalen Daimyo präsentieren zu können. Minoru kommt die Sache von Anfang an seltsam vor, umso mehr, als des Nachts plötzlich ein dämonisches Halbwesen über Takedas Haus herfällt und es halb niederbrennt.

Diesen Vorfall vertuscht man noch so gut wie möglich, aber am nächsten Tag kommt es dann beim Inu Oi Mono – einem sadistischen „Jagen“ von eingepferchten Hunden, das man als Spaß für den Besucher veranstaltet zum Eklat. Takedas Vasall Masateru, der auf mysteriöse Weise verschwunden war, taucht in Begleitung gleich mehrerer dämonischer Halbwesen auf. Offen beschuldigt er Takeda, den Überfall auf Tokugawas Tochter selbst inszeniert zu haben, um sich als starker Mann in Szene zu setzen und für den hohen Posten zu empfehlen, den er nach der Revolte durch Ashikaga übernehmen will. Tokogawa hat das Spiel allerdings durchschaut und hat dem fiesen Takeda einige Shinobi auf den Hals gehetzt: geisterhafte Wesen, die zu Dämonen mutieren können, sich beim Liebesakt an der Lebensenergie ihnen haltlos verfallener Opfer gütlich tun und nebenbei auch gerne Aufträge annehmen wie diesen. Besonders berüchtigt sind die Mitglieder des Hideyoshis-Clans, auf die Tokugawa zurückgegriffen hat und die Takeda und seine Bande ordentlich abservieren. Und als ob das alles nicht geheimnisvoll genug wäre, glaubt eine der alten Dienstmägde, in einer der vier jungen Dämoninnen niemand anders zu erkennen als die verloren geblaute Tochter der Kaiserin, die sofort ihre Kundschafter ausschickt, um diesen ungeheuerlichen Verdacht zu überprüfen…

Die japanische Mythologie ist voller phantastischer Fabelwesen – das durften schon die Ninja Turtles bei ihrem Abenteuer mit dem sagenhaften Riesenwels Namazu erfahren, der der Legende nach für die häufigen Erdbeben verantwortlich ist – und natürlich auch voller faszinierender Figuren wie Samurai und Ronin, die nicht nur eine ganze Armada von Western hervorbrachten (ohne Samurai-Filme wie „Yojimbo“ hätte Clint Eastwood immerhin niemals seinen Poncho angezogen und seinen Zigarillo angesteckt), sondern auch längst breit in der Welt der Comicseiten vertreten sind (von Klassikern wie Frank Millers „Ronin“ geht der Reigen da bis hin zu Ableitungen wie „Usagi Yojimbo“). Da liegt es ja durchaus nahe, wie Sylvain Runberg („Orbital“) in dieser Saga beide Welten zu verbinden und im feudal-kaiserlichen Japan Fantasy- und Horror-Elemente einzubringen. Der Mythos der Shinobi wird von Runberg allerdings durchaus farbig ausgeschmückt: eigentlich bedeutet dieser Begriff nichts anderes als das sattsam bekannte „Ninja“ oder einsamer Mensch, was auch in der Computerspiel-Reihe, die seit 1987 erscheint und mittlerweile über elf Ausgaben zählt, noch im Mittelpunkt stand: meisterliche Spione kämpfen sich fintenreich durch allerlei haarige Situationen.

Die japanische Filmfassung von 2005 fügte dann den Aspekt der übernatürlichen Fähigkeiten hinzu, die sich verfeindete Shinobi-Clans angeeignet hatten. Die Fähigkeit, die Runberg seinen Shinobi schenkt, entspricht direkt der Gothic-Welt, wo sich Nachtmahre paaren und dabei ihren Opfern die Lebenskraft aussaugen – quasi eine Art Vampir im Reiche Edo, was Sylvain Runberg allerdings durchaus mit Komplexität auflädt, da die Shinobi mit ihrem Schicksal hadern und auch in einen größeren historischen Kontext gestellt werden. Gepaart mit ausladenden Hofintrigen, der Faszination des kaiserlichen Edo und jeder Menge Action, entfaltet Runberg hier ein breites, ausladendes Panorama, das von Erstling Xu Zhifeng sehr episch und auch durchaus gewalttätig inszeniert wird. Splitter präsentiert im Double-Format die beiden „Schriftrollen“ der Serie, die im Original 2014 und 2017 erschienen. (hb)

Schatten der Shinobi
Text: Sylvain Runberg
Bilder: Xu Zhifeng
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
22,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-394-3

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