Giverny, 1923. Der alte Monet leidet am grauen Star. Entweder er unterzieht sich einer Operation oder verliert sein Augenlicht für immer. Angstvoll entscheidet sich der alte Meister für den Eingriff und lässt während der bangen Tage, in denen er mit verbundenen Augen ruhen muss, sein Leben an sich vorbeiziehen. Schon früh war Oscar-Claude Monet fasziniert vom Zeichnen, vor allem von der Natur – eine Leidenschaft, von der sein Vater durchaus wenig begeistert ist. Die Begegnung mit dem Maler Boudin 1858 verändert sein Leben: Boudin ermutigt ihn, die Natur so zu malen, wie er sie sieht und erlebt, während das künstlerische Establishment den klassizistischen Idealen frönt und die Motive stets nur als Basis für Idealisierung und Überhöhung nimmt. 1862 schließt sich Monet in Paris der Akademie des Malers Glaire an, wo er in Berührung mit den jungen Unruhestiftern der Szene kommt: mit Renoir, Bazille, Sislay und Pissarro rebelliert Monet gegen die Vorherrschaft der akademischen Malerei, verkörpert im Salon, in dem Klassizismus und Historienmalerei dem bildungsbürgerlichen Publikum immer gleiche Kost servieren. Spätestens als Manets „Frühstück im Grünen“ 1863 im Salon zur allgemeinen Empörung führt, steht für Monet und seine Freunde der Weg fest: man möchte Kunst im Freien schaffen, anstelle Stilisierung die eigene Emotion und Wahrnehmung transportieren – weshalb Monet eines seiner Bilder „Impressionen. Sonnenaufgang“ nennt und so einer ganzen Bewegung den Namen gibt.
Die junge Camille Léonie-Dancieux steht für viele seiner Bilder Modell, darunter auch für „Camille im grünen Kleid“, das Zola als kraftvoll lobt. Der Erfolg bleibt dennoch aus. Enttäuscht zieht sich Monet mit Camille, die seine Geliebte geworden ist, zurück und malt mit „Frauen im Garten“ 1867 das Bild, das ihm eigentlich zu Ruhm und Reichtum verhelfen soll. Als dieses Werk vom Salon abgelehnt wird und Camille auch noch ein Kind erwartet, steht Monet mittellos und ohne Perspektiven da. Renoir ermutigt ihn, dennoch auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen, und so wagen die jungen Rebellen, darunter auch Edgar Degas, 1874 eine erste eigene Ausstellung im ehemaligen Photoatelier Nadar. Diese endet allerdings im Debakel: Publikum und Kritiker schütten Häme über die als geschludert und unfertig abgekanzelten Bilder aus. Ein Hoffnungsschimmer bietet dem verzweifelten Monet der reiche Stoffhändler Ernest Hoschedé, der ihm ein Engagement auf seinem Chateaux anbietet. Dort findet Monet zwar Arbeit, stürzt sich aber auch in eine Affaire mit Hoschedés Frau Alice. Als Hoschedé selbst vor dem Ruin steht, sieht sich Monet mit einer ausweglosen Situation konfrontiert: bittere Armut, zwei Frauen und acht Kinder sind zu versorgen, und die Kunstwelt scheint immer weniger Notiz von ihm zu nehmen…
Der spanische Autor, Schriftsteller und Drehbuchautor Salva Rubio legt mit „Monet“ seine erste Graphic Novel vor, ein Projekt, das er mit dem ebenfalls malereibegeisterten EFA (eigentlich Ricard Fernandez) akribisch vorbereitete und umsetzte. Keine strenge Biographie, sondern eher ein Spielfilm solle es sein, so Rubio, mit den nötigen kleinen Abweichungen, Anachronismen und Überhöhungen, aber immer basierenden auf den Erinnerungen Monets, die Rubio aus zahlreichen einschlägigen Lebensbeschreibungen des führenden Kopfs der Impressionisten entnahm. Die Geschehnisse entfalten sich als Selbstreflexion des alten Meisters, der somit immer wieder vorgreifen kann („Hätten wir gewusst, dass wir die Geschichte verändern?“) und am Ende als einsamer alter Mann Seerosen malt. Dabei oszilliert Rubio gekonnt zwischen der Faszination der Rebellion, dem Bruch mit der Konvention, dem unerbittlichen Willen, Neues zu schaffen und der Rücksichtslosigkeit und Egomanie, mit der Monet seine Vision verfolgt, ohne dabei auf die Belange seiner Frauen und Kinder zu achten. Erst sein alter Weggefährte Renoir kann ihn davon überzeugen, dass er seinen selbstgefälligen Stolz ablegen und seine Werke dem Salon zur Verfügung stellen muss, da der Impressionismus längst als Kunstrichtung akzeptiert ist.
Wenn sich so ab 1880 dann endlich der breitere Erfolg einstellt, sind dabei dennoch viele auf der Strecke geblieben: Camille, die an wiederholten Abtreibungen stirbt, seine Kinder, die in bitterster Armut aufwachsen müssen. So entsteht das Portrait eines durchaus fragwürdigen Charakters, das EFA dem Thema angemessen mit wunderbaren Bildzitaten aus dem reichhaltigen Schaffen Monets inszeniert. Dabei werden nicht nur Schlüsselwerke nachgestellt, die Graphic Novel nutzt auch das Stilmittel des Spiegeleffektes: so wird Monet oft während des Malens seiner bekannten Werke gezeigt, ein stilistisches Zitat des kunstgeschichtlichen Meilensteins „Las Meninas“, in dem sich der Maler Velázquez 1656 selbst bei der Arbeit ins Bild brachte; bei seinem eigenen monumentalen „Frühstück im Grünen“ entsteht sogar eine ganzseitige, in sich dynamische Ansicht, in der Monet und seine Modelle durch das langsam entstehende Bild wandern. Weit jenseits einer verstaubten kunsthistorischen Abhandlung entsteht so ein faszinierender, lebendiger Gang durch eine der formativsten Epochen der modernen Malerei, deren Protagonist auf dem einem dünnen Grat zwischen Faszination und Selbstsucht wandert. Knesebeck bringt diesen Band in gewohnt hochwertiger Aufmachung mit einem ausführlichen Anhang, in dem die zitierten Bilder en detail aufgeführt sind. (hb)
Monet – Auf den Spuren des Lichts
Text: Salva Rubio
Bilder: EFA (Ricard Fernandez)
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Knesebeck Verlag
22 Euro
ISBN: 978-3-95728-068-8