Ganz schön ramponiert ist er, James Bonds Weggefährte Felix Leiter, der CIA-Mann, der mit seinem Kollegen so manches Abenteuer bestand, bis er ausgerechnet bei seiner Hochzeit von Drogenbossen überfallen und den Haien vorgeworfen wurde. Dabei kam er zwar mit dem Leben davon, verlor aber ein Bein und eine Hand – und vor allem auch seine Lebenskraft. Bei der CIA ist er schon lange nicht mehr, er arbeitet als Privatdetektiv auf eigene Faust, und in dieser Eigenschaft führt in ein Auftrag nach Japan. Der Job scheint einfach: er soll eine russische Agentin namens Alena Davoff identifizieren, die er durchaus gut kennt, da er bei einem russisch-amerikanischen Einsatz in Afghanistan ein kleines Techtelmechtel mit der Dame hatte. Die Holde mag sich allerdings nicht so einfach finden lassen, sondern stellt Leiter eine Falle, versohlt ihm ordentlich den Hintern und stellt fest, dass er nur noch ein Schatten seines früheren Selbst ist. So geschunden, will Leiter eigentlich schon wieder abreisen, da erreicht ihn ein Anruf von Tiger Tanaka, Leiter einer Spezialabteilung von CIRO, der japanischen CIA.
Vor dem Regierungssitz der Präfektur Tokyo hat sich ein verheerender Anschlag ereignet, bei dem sich ein Mann buchstäblich in Staub auflöste, der sich als tödlicher biologischer Kampfstoff entpuppt. Tanaka und Leiter finden heraus, dass der arme Geselle ein Anhänger des Sektenführers Johnny North ist, dessen Basis man in einer konzertierten Aktion aushebt und die ganze Bande kurzerhand ins Hauptquartier von CIRO zum Verhör schafft. Dort verkündet North freudig, dass er selbst die nächste menschliche Waffe ist, zerfällt ebenso zu giftigem Staub und befördert somit die gesamte Einheit ins Jenseits. Aus einigen Videoaufnahmen klaubt sich Leiter zusammen, dass North Kontakt zu Choi Ki-Moon hatte, einem Nordkoreaner, der sich durch allerlei Morde an Subjekten auszeichnet, die dem großen Kim Jong-Un nicht passen. Und der vor allem auch beste Verbindungen zu Park Ju-Ung pflegt, einem ausgewiesenen Spezialisten in Sachen biologischer Kriegsführung. Pikant daran ist vor allem, dass sich Choi Ki-Moon in der Bar, in der Leiter vor Tagen sein Ziel Alena Davoff suchte, mit eben jener russischen Agentin traf, die also ebenfalls in die Sache verwickelt scheint. Gemeinsam mit Tanaka macht sich Leiter also auf, Licht ins Dunkel zu bringen und dabei vielleicht auch wieder Sinn in sein Dasein…
Mit diesem Spin-off setzt James Robinson eine Figur ins Zentrum, die im James Bond-Universum eher ein Sidekick des Superagenten war: schon in Ian Flemings Romanen tauchte der CIA-Mann häufig auf, wenn Bond einen Einsatz in den USA zu absolvieren hatte, und auch auf der Leinwand gab sich Leiter von „Dr. No“ bis hin zu „Ein Quantum Trost“ regelmäßig die Ehre. Das einschneidende Ereignis seines Lebens, als Verbrecher ihn den Haien vorwerfen, erleidet Leiter bei Fleming schon im zweiten Bond-Roman „Live and let die“ von 1954, wo er ein Bein und eine Hand verliert und in späteren Stories mit Prothesen auftaucht. Im Kino widerfuhr Leiter dieses Schicksal 1989 im zweiten Timothy Dalton-Bond „Licence to kill“, und auch die Comic-Serie nimmt dieses Element wieder auf: in „Eidolon“ trat uns Leiter bereits mit Prothesen entgegen, die hier in einer aufgemöbelten, von Bond geschenkten Version nun sogar zum zentralen Handlungselement avancieren und Leiter letztlich buchstäblich den Hals retten.
Leiter selbst erscheint als heruntergekommener, typischer film noir-private eye, der wie Rick Deckard auf den Spuren Philip Marlowes durch ein permanent verregnetes Tokyo stapft. Sein Lebenstraum war es immer, einmal so zu sein wie sein großer Freund James Bond, aber Tiger Tanaka, den Bond-Fans aus „You Only Live Twice“ (dem Film und dem Roman) kennen, weist ihn darauf hin: „James überlebt seine Missionen und bekommt das Mädchen. Ich fürchte, für uns wird das anders ausgehen“. Leiter muss erkennen, dass er langsamer, vorsichtiger, ängstlicher und damit im fiktiven Kanon deutlich realitätsnäher ist als der Superagent, der immer an der Grenze zur Satire agiert – und dass diese Eigenschaften in diesem Kampf gegen eine finstere Macht, die wir (Spoiler voraus!) aus dem Bond-Universum nur allzu gut kennen, vielleicht aber genau die richtigen sind.
Furios ist dabei die Inszenierung durch Zeichner Aaron Campbell, der in zahlreichen doppelseitigen Panels, rasanten Bildfolgen und silhouettenhafter Gestaltung das optische Design eines Bond-Films kongenial auf die Comicseiten überträgt, wobei auch die „pre-credit-scene“ nicht fehlen darf. Insbesondere die Momente des einsam im Meer schwimmenden, vom Ertrinken bedrohten Leiter verbreiten dabei trotz breitwandigen Formats eine beklemmende, agoraphobische Atmosphäre – also die Angst vor der endlosen Weite, die genauso zuschlagen kann wie ihr großer Bruder Platzangst. Ein schmissiges, atemloses Lesevergnügen, in dem James Bond bis auf ein paar Flashbacks keinen Auftritt zu verzeichnen hat und Felix Leiter somit gebührend im Mittelpunkt steht. Die vorliegende Ausgabe enthält die US-Hefte „James Bond: Felix Leiter 1-6“ sowie eine kleine Cover-Galerie und kommt wie die anderen Bond-Bände im hochwertigen Hardcover-Format. Für Sammler gibt es ebenfalls wieder eine limitierte Edition (1007 Exemplare!). Die reguläre Bond-Serie findet im Januar 2018 mit „Black Box“ ihre Fortsetzung, im März folgt dann „Kill Chain“. Oh, James! (hb)
James Bond 007: Felix Leiter
Text: James Robinson
Bilder: Aaron Campbell
152/160 Seiten, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro (reguläre Edition)
34,80 Euro (limitierte Edition)
ISBN: 978-3-95839-508-4 (reguläre Edition)
ISBN: 978-3-95839-509-1 (limitierte Edition)