Der Reverend, Band 1 (Splitter)

August 23, 2017

Nevada, im Jahre 1870. Ein klassischer Postkutschen-Überfall. Brutal, gnadenlos. Die Passagiere werden ermordet. Nur ein kleiner Junge und dessen Mutter überleben. Und der Junge namens Angus macht überraschenderweise kurzen Prozess mit den Outlaws. Nur ein Traum? Denn 15 Jahre später erwacht ein erwachsener, aber immer noch junger Angus im bitter kalten, verschneiten Nevada. Er nimmt sich in dem Goldgräber-Kaff Eureka ein Zimmer und firmiert offiziell als Reverend Angus Whitecross. In Eureka bestimmt der reiche Großgrundbesitzer Cartus Nance den Alltag. Er sponsert Kirchen und plant für seinen Geburtstag ein rauschendes wie unmoralisches Fest im Golden Infernal Saloon. Hierzu lässt er extra Deborah Hotfield samt ihren Damen „antanzen“, die mit ihrer eindeutigen wie zeigefreudigen Show für Stimmung sorgen sollen. Da geschieht ein Mord. Der Barbier Terrence Morrits wird tot in seinem Laden aufgefunden und ausgerechnet Angus soll am Abend sein letzter Kunde gewesen sein. Was ihn zum ersten Verdächtigen macht…

Dass Reverend Angus Whitecross kein echter Gottesmann ist, wird schnell klar. Zu weltlich sind seine Interessen, zu eindeutig das Waffenarsenal, das er mit sich führt. Nein, der Reverend entpuppt sich schnell als berüchtigter Kopfgeldjäger, der trotz seiner Jugend bereits eine stattliche „Karriere“ in seinem Metier vorweisen kann. Trotzdem wird dadurch nicht zu viel verraten. Hierzu ist die Story zu geschickt gestrickt. Auch später, als das wahre Motiv für Angus‘ Auftauchen in Eureka klar wird, ebenso wie seine Verbindung zu Nance und dem Barbier, hält die Geschichte noch immer eine Überraschung für den Leser parat. Bei der Charakterisierung seiner Personen vermeidet es der Band, den Hauptakteuren die für sie üblicherweise vorgesehene Rolle zur Gänze zuzuweisen. Angus ist beinahe zu brav, zu jugendlich, um als eiskalter Killer durchzugehen, er verliert auch mal die Kontrolle über das Geschehen und agiert nicht immer so souverän, wie man es von einem abgebrühten Vertreter seines Fachs üblicherweise gewohnt ist (siehe „Durango“). Und der Mäzen von Eureka, Cartus Nance, wird nicht zwingend als dessen Gegenspieler aufgebaut. So trägt Nance durchaus auch sympathische Züge, „seine“ Stadt ist sicher und die Sorge um seine Leute scheint aufrichtig.

Die Zeichnungen stehen nicht, ähnlich wie auch zuletzt „Die Daltons“ (ebenfalls bei Splitter) in der Western Tradition eines Blueberry (wie „Apache Junction“, „Bouncer“ oder aktuell „Durango“). Sie sind erfrischend eigenständig und vermitteln dabei bestes Western-Ambiente, wobei Augustin Lebon sowohl die Darstellung karger Wüsten- und Felsen-Landschaften als auch die des winterlichen, verschneiten Nevadas beherrscht. Für die Autoren ist es die erste Veröffentlichung in Deutschland. Zwar sind ihre Motive nicht neu: Als Revolverheld unter dem Deckmantel eines „seriösen“ Berufes steckt auch der „Undertaker“ in Dorisons und Meyers gleichnamiger Reihe und einen die Stadt beherrschenden Patriarchen sah man jüngst in Hermanns aktuellem Western „Duke“. Dennoch bleiben genügend Fragen offen, um auf den bereits abschließenden Band 2 neugierig zu sein: Wie wurde Angus zum Kopfgeldjäger? Was wurde aus seiner Mutter? Kann er seine Mission zu Ende führen? Was von dem Auftakt des Bandes ist wahr, was geträumt? Der Folgeband – im Original in Frankreich bereits erhältlich – erscheint im Februar nächsten Jahres. Bis dahin müssen wir uns noch gedulden. (bw)

Der Reverend, Buch 1: Die Teufel von Nevada
Text: Christophe Lylian
Bilder: Augustin Lebon
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-491-9

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