Future Taylor, die Archivarin, lebt nun in der muslimischen Siedlung Murfreesboro im ehemaligen Tennessee. Wir schreiben das Jahr 2109. Vor genau einem Jahr haben die Infizierten, begünstigt durch den Verrat Robbie Greers, Chattanooga in Schutt und Asche gelegt, wobei sie nach einem perfiden Plan vorgingen, den der Serienkiller Beau Salt vor hundert Jahren kurz nach dem Ausbruch des Virus‘ bereits eingeleitet hatte. Nur Future und Cautious konnten dem Massaker entgehen. Jetzt herrscht eine trügerische Ruhe. Als sie einen in Not geratenen Ballonfahrer retten, treffen die beiden auf Infizierte, die Future erkennen. Um die Lage zu checken und weil Future ahnt, dass die intelligenten Infizierten weitere Pläne schmieden, reist sie per Ballon in Nachbarsiedlungen. In Kingstenn wird ihr ein ungeheuerliches Video zugespielt. Darin zu sehen ist Robbie Greers, der den Bewohnern einen grausamen Deal vorschlägt: sie sollen sich isolieren, ihre Funkanlage zerstören und vor allem pro Jahr zehn Bürger – sieben Frauen und drei Männer – ausliefern. Ansonsten wiederfahre ihnen das gleiche Schicksal wie Chattanooga.
Nach ihrer Flucht aus Kingstenn ist Future noch mehr beunruhigt. Sie vermutet einen Masterplan hinter dem Vorgehen der intelligenten Infizierten. Doch die religiöse und weltliche Führerin Murfreesboros gemahnt zu einer für Future überheblichen Besonnenheit. Daher reitet sie auf eigene Faust erneut in die Appalachen, nur um die bekannte Siedlung der Infizierten verlassen vorzufinden. Mehr noch: beinahe sämtliche Spuren sind beseitigt. Dafür trifft die kleine Truppe auf seltsam verwahrloste und degenerierte Menschen, die Infizierten befehlen und die Future ebenfalls kennen. Bei ihrer Rückkehr erwartet sie eine Überraschung: Murfreesboro wurde zum Zufluchtsort von Flüchtlingen, denn immer mehr Siedlungen im Umland wiederfuhr das gleiche Schicksal wie Kingstenn. Eine bange Frage kommt auf: wann ist Murfreesboro an der Reihe?
Gleich vorweg: die Story reicht nicht an die Geschichte heran, die uns Alan Moore in Band 1 kredenzte. Während sich dort das Geschehen als geschlossenes Ganzes präsentierte, das die einzelnen Puzzleteile am Ende zum fulminanten Finale zusammenführte, charakterisiert sich die Handlung hier als typische Fortsetzungs-Geschichte, die von A nach B führt. Das ist beileibe nicht schlecht – also nicht falsch verstehen – nur anders. Was so auch zu erwarten war, nach dem Weggang Moores. Futures Bedenken wird anfangs kein Gehör geschenkt. Auch als sie – ähnlich wie in Band 1 – auf eigene Faust tätig wird, nachforscht, die schrecklichen Details über die Vorgehensweise der Infizierten erfährt und die drohende Gefahr immer präsenter wird, schwenkt die Ima’am Murfreesboros nicht auf ihre Linie ein. Erst als es beinahe zu spät ist, erhält Future Hilfe von unerwarteter Seite: in Gestalt des dubiosen Albinos Bailey, der – wie es sich herausstellt – mit drastischen Mitteln arbeitet und damit ebenso drastische Ergebnisse erzielt.
Die Sprache ist wie gehabt ein wichtiges Stilmittel und Merkmal der Reihe. Sie ist vereinfacht, verfremdet, direkter und kürzer – ein grammatikalisches Fiasko im Vergleich zur der uns gewohnten Ausdrucksweise. Man muss beim Lesen ein ums andere mal „um die Ecke denken“. So ist der Ballonfahrer und Nachrichtenüberbringer McBlarney ein Gappler – abgeleitet von Big Apple, also aus New York. Die debilen, standard-Infizierten nennt man Illbillys, während die intelligenten als Smartbillys bezeichnet werden. Die einzelnen Kapitel des Bandes sind nach bekannten SF-Romanen benannt (I am Legend, The Forever War), passend zu Futures Vorliebe für alte Wünsch-Fiction (=SF) Bücher. Und wie in Band 1 dienen ihre Tagebucheinträge dazu, durch die Handlung zu führen und ihre Gedankengänge zu erläutern. Futures mysteriöser Bekanntheitsgrad unter den Smartbillys erinnert an „Klapperschlange“ Snake Plissken. Autor Simon Spurrier wurde von Alan Moore selbst als Nachfolger auserkoren. Auch das Zeichenbrett wurde mit den beiden Argentiniern Fernando Heinz und Rafael Ortiz neu besetzt. Und natürlich bietet Panini wieder eine limitierte HC-Fassung des post-apokalyptischen Schlachtfestes für Erwachsene, das nach wie vor ein intelligenter Ableger der Hauptserie ist. (bw)
Crossed + Einhundert, Band 2
Text: Simon Spurrier
Bilder: Fernando Heinz, Rafael Ortiz
164 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19,99 Euro