We stand on Guard (Cross Cult)

Juni 27, 2016

We stand on Guard (Cross Cult)

Kanada im Jahre 2124. Nach einem verheerenden Anschlag auf das Weiße Haus zwölf Jahre zuvor haben die USA ihrem nördlichen Nachbarn den Krieg erklärt, dem vermeintlichen Drahtzieher hinter der Attacke. Inzwischen ist der Großteil Kanadas von den Amis besetzt. Deren Pläne sind klar: aufgrund einer beispiellosen, Jahre langen Dürre, der „Dust Bowl Krise“, herrscht massiver Wassermangel in den USA. Die Natur ist verödet, die Menschen leiden. Aber in Kanadas Seen ist das wertvolle Nass noch reichlich vorhanden. Mit gigantischen fliegenden Tankschiffen, die den Kugelraumern aus Perry Rhodan ähneln, will man das Wasser abpumpen und in den amerikanischen Süden transportieren. Aber in den verschneiten, weiten Wäldern Kanadas gibt es noch immer patriotische Widerstandskämpfer, auf die zufällig die junge Amber Roos trifft. Amber ist seit ihrer Kindheit auf der Flucht, erst mit ihrem Bruder, der schließlich von den Amis gefangen genommen wurde, jetzt allein. Nach anfänglichem Misstrauen und einem gewonnenen Kampf gegen einen riesigen US-Kampfroboter wird Amber in der Widerstands-Gruppe, die immer mehr dezimiert wird, akzeptiert. Als im gleichen Zug Vic McFadden, die Chefin der Zwei-Vier, wie sich die Gruppe nennt, gefasst wird und unter Psychofolter den Schlupfwinkel ihrer Kameraden preis gibt, wird es für diese eng. Doch die amerikanischen Invasoren haben nicht mit dem verzweifelten Mut und der Entschlossenheit von Amber und dem Rest der Zwei-Vier gerechnet…

Eine neue, (bisher) abgeschlossene Miniserie von Star-Autor Brian K. Vaughan, der mit Reihen wie „Ex-Machina“, „Y: The Last Man“ (beide bei Panini) und aktuell mit dem preisgekrönten „Saga“, das ebenfalls bei Cross Cult erscheint, als Garant für intelligente wie originelle Comic-Unterhaltung steht. „We stand on Guard“ schildert den Einmarsch in Kanada durch die überlegenen USA in einer hoch technisierten Zukunft. Drohnen und Roboter sind bevorzugtes Kriegsgerät. Man hasst sich leidenschaftlich und unversöhnlich. Amber verlor ihre Eltern gleich zu Beginn des Konfliktes – regelmäßige Rückblenden schildern ihre Flucht gemeinsam mit ihrem Bruder Tommy, bis sich dieser von den Amis schnappen ließ, um seine Schwester zu schützen. Die Zwei-Vier sind eine verwegene Guerilla-Truppe, die den Amis Kriegsmaschinen abluchst, nur um sie dann gegen sie einzusetzen. Wie auch die Sturmtruppler bei Star Wars werden die Soldaten der Invasoren als anonyme Masken-Bösewichte dargestellt. Nur „Die Amerikanerin“, eine gnadenlose Frau, die Vics Verhör leitet, und die letztlich als „Endgegnerin“ fungieren wird, bekommt ein Gesicht und eine Vita. In einer digitalen Welt (Computer-Bildschirme braucht man nicht mehr, die Menschen haben quasi Fernsehen implantiert, man fühlt Hologramme, die zur Folter eingesetzt werden, alles und jeder ist untereinander vernetzt) entbrennt der Krieg ganz banal um Wasser (nicht Öl!), nachdem die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr umkehrbar sind.

Ein größerer Umfang hätte der Reihe gut getan. Vaughan reißt etliche interessante Motive und Szenarien an, die storytechnisch eine weitere Vertiefung verdient hätten. Das beginnt mit der Frage, ob die Kanadier wirklich für den Krieg verantwortlich sind, oder nur als Sündenböcke oder gar als selbst konstruierter Vorwand für die Amis dienen. Warum gibt es dann tief im Süden der USA Aufstände, die den besiegten Kanadiern zugeschrieben werden? Wieso zieht sich die amerikanische Übermacht zurück, die lediglich von ein, zwei defekten Maschinen und einer Handvoll Rebellen angegriffen wird? Was hat es mit der „Amerikanerin“ auf sich, die nach eigenen Aussagen in Kanada geboren wurde? Wie erging es Amber auf der Flucht und woher hat sie ihre Ausrüstung? Alles geht schnell und rasant in teilweise atemloser Action. Die Figuren der Zwei-Vier sind schillernd, höchst individuell. Und sie sterben auch wieder schnell. Man hätte sich gewünscht, noch etwas länger in Vaughans faszinierender dystopischer SF-Welt verbleiben zu können. Die Bilder von Steve Skroce, der neben Comics auch Storyboards für diverse Wachowski-Filme zeichnete, sind messerscharf, genau und filigran. Beeindruckend die Dimensionen der riesigen Kriegsroboter, die Transformers oder Mechs ähneln. Die Kolorierung von Farb-Guru Matt Hollingsworth ist eher sanft angenehm und zurückhaltend als knallig und steht im Kontrast zur den bisweilen explizit blutigen Darstellungen. „We stand on Guard“ macht Spaß, ist stets furios, geht dann aber leider arg schnell vorbei. Vielleicht kommt ja noch was. Der Cross Cult Band beinhaltet alle sechs Hefte der 2015 bei Image erschienenen Mini-Serie, inkl. diverser Skizzen und Entwürfe von Steve Skroce, die vertiefend zeigen, wie gut der Kanadier (!) sein Handwerk versteht. (bw)

We stand on Guard
Text: Brian K. Vaughan
Bilder: Steve Skroce
144 Seiten in Farbe, Hardcover
Cross Cult
25 Euro

ISBN: 978-3-86425-836-7

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