Agent Branch arbeitet für die Regierung. Genauer gesagt beim Geheimdienst. Und da gerne auch mal Überstunden, wenn es Fälle gibt, an denen sich die Kollegen die Zähne ausgebissen haben, denn immer wenn es mysteriös wird, ist ihr Interesse geweckt. Genau das passiert, als eines Nachts unvermittelt ein Fremder in ihrer Wohnung auf sie wartet und ihr eine abenteuerliche Geschichte auftischt. John Harrow, so heißt die finstere Figur, eröffnet ihr, dass sie mit ihrem latenten Hang zu Verschwörungstheorien absolut Recht hat. Ja, es gibt viele Geheimnisse, die besser geheim bleiben, Verschwörungen, die als Theorie gelten sollen, und Tatsachen, die man offiziell glaubhaft abstreiten muss. Darum, dass das so bleibt, kümmern sich Control Agents wie John Harrow, die für eine Organisation arbeiten, die für die Öffentlichkeit im Verborgenen bleiben muss. Dort weiß man, wer JFK ermordet hat, was hinter den mysteriösen Viehverstümmelungen steckt, und wahrscheinlich auch wo Jimmy Hoffa abgeblieben ist. Als Appetithappen serviert Harrow seiner staunenden Zuhörerin eine brisante Enthüllung: die Mondlandung von Apollo 11 war keineswegs die erste, sondern die dritte erfolgreiche Mondmission der USA. Im Wettrennen in den Weltraum war nämlich in Wahrheit die kommunistische Gegenseite schneller: schon 1964 landete die Sowjetunion erfolgreich auf dem Mond, was allerdings niemals publik gemacht wurde – zu groß war die Angst, höchst publikumswirksam zu scheitern.
Diese Mission kehrte allerdings niemals zurück – irgendetwas hatte auf dem Trabanten auf die Kosmonauten gewartet. Auch den ersten amerikanischen Raumfahrern erging es keinen Deut besser, irgendeine Präsenz auf dem Mond meuchelte alle Besucher – mit Ausnahme des Kapitäns des Orbiter-Schiffs. Die Amis kehrten zurück, machten alles platt was zu finden war, aber die russische Landekapsel wurde nie geborgen. Bis jetzt: denn offenkundig ist das Uralt-Teil in Bedford mitten in der amerikanischen Prärie abgestürzt. An der Absturzstelle machen die Agents eine erstaunliche Entdeckung: die Kapsel ist zwar leer, aber irgendetwas ist damit zur Erde gereist. Schnell wird klar, dass man es mit einem rabiaten außerirdischen Wesen zu tun hat, dass ganz offenbar einen russischen Kosmonauten befallen hat und dabei ist, sich über ganz Bedford auszubreiten: den ebenfalls ermittelnden örtlichen Polizisten treten Horden von irgendwie infizierten zombieartigen Wesen entgegen, während Harrow und Branch das erste Opfer auffinden, einen Jugendlichen, der mehr als übel zugerichtet noch erzählen kann, das Wesen habe seine Freundin zu einem Teil von sich gemacht. Dabei läuft im Hintergrund gnadenlos die Uhr: die Regierung hat die Stadt bereits abgeriegelt, und wenn die Agenten nicht schnell herausfinden, was hier vor sich geht und vor allem wie man es aufhält, wird Bedford von der Landkarte verschwinden…
Wenn Agent Mulder nicht beim FBI im Keller für Superintendent Skinner, sondern in einem spektakulären Untergrund-Hangar mit Tommy Lee Jones arbeiten würde – das Ergebnis wäre ziemlich nahe an „Deep State“. Schöpfer Justin Jordan macht gar keinen Hehl daraus, aus welchen Quellen er schöpft: Harrow stellt fest, er kleide sich zwar in schwarz, aber die Men In Black gebe es dennoch nicht (ein Blitzdings hat er auch nicht), und die Kombination aus abgeklärtem, bereitwillig an Aliens glaubenden Agenten und dem neu rekrutierten weiblichen Gegenpart ist nun wirklich auch keine radikal neue Erfindung. Dennoch gelingt es Jones, mit einer wahrhaft rasanten Story und einer spannenden Prämisse – es gibt Geheimnisse, die besser geheim bleiben (aber wer entscheidet das? wer bewacht die Wächter?), und die Weltgeschichte ist ein wenig anders verlaufen als die offizielle Version – für eine beklemmende Stimmung zu sorgen. Wobei wir hier noch ein wenig weiter zurückgreifen dürfen, denn das Grundkonzept stammt weder aus den X-Files noch anderen Sci-Fi-Franchises neueren Datums, sondern geht zurück auf die brillanten Prototypen aller utopischen Horror-Ausflüge des Fernsehens: die Quatermass-Reihe, mit der Nigel Kneale in den 50er Jahren das britische Fernsehpublikum zu Tode erschreckte.
In der ersten Reihe von 1953 (die mit Ausnahme der ersten Folge leider verschollen ist, aber schon die hat es in sich) nämlich finden wir alle Zutaten, die Jordan anrührt: das abgestürzte Raumschiff, die leeren Raumanzüge und einen Überlebenden, der ganz offenbar von einem gestaltwandlerischen Alien übernommen wurde, das sich aufmacht, sich ganz England unter den Nagel zu reißen. Und so kommt dann eben doch eine etwas andere Atmosphäre auf, wir erleben eine bunte Mischung aus den ungeklärten Fällen des FBI, bester englischer Fernsehkultur und Genre-Klassikern wie „The Thing“ und „Invasion of the Body Snatchers“, gewürzt mit einer kräftigen Prise Zombie-Action. Dieser krachige Reigen wird optisch von Ariela Kristantina leicht stilisiert und äußerst beeindruckend aufs Papier gebracht, mit stimmiger Farbgebung und filmischen (oder fernsehhaften, je nach Belieben) Panelfolgen. Ein schmissiger Ritt für alle Fans der schwummrigen Abende, die wir mit Quatermass und Co. erleben durften – und die waren mehr als eindrucksvoll: bei der erstmaligen Begutachtung der dritten und letzten Serie „Quatermass and the Pit“ hatte ich am Ende alle Lichter im Hause an, und mein hier mitstreitender Kollege hatte eigenen Aussagen zu Folge die Fernbedienung abgenagt. Bei einer TV-Serie aus dem Jahr 1958. Die vorliegende Ausgabe bringt die Ausgaben 1-4 der Originalserie, ergänzt durch eine hübsche Covergalerie. (hb)
Deep State, Band 1: Die dunklere Seite des Mondes
Text: Justin Jordan
Bilder: Ariela Kristantina
116 Seiten in Farbe, Hardcover
Popcom
14 Euro
ISBN: 978-3-8420-1978-2