Die alten Knacker, Band 1 (Splitter)

August 20, 2015

Die alten Knacker, Band 1 (Splitter)

Drei alte (auch an Jahren) Freunde treffen sich zu einem traurigen Anlass: Antoines Frau Lucille ist gestorben und Mimile und Pierrot erweisen ihr als Trauergäste die letzte Ehre. Freilich zu spät, denn als Pierrot Mimile im Altersheim abholt (das sich treffend Residenz Totenau nennt) hat dieser den Termin mal wieder vergessen. Am nächsten Tag dann die böse Überraschung: Antoine war beim Notar. Dort wurde ihm ein Brief von Lucille verlesen, in dem diese posthum beichtet, ein Verhältnis mit ihrem Ex-Arbeitgeber, dem Industriellen Armand Garan-Servier, der inzwischen aus seiner eigenen Firma gemobbt wurde, gehabt zu haben. Das war 1962! Und darüber gerät Antoine so in Rage, dass er unvermittelt seine Flinte einpackt und in die Toscana braust, um dort Garan-Servier auf dessen Altersruhesitz in später Rache den Garaus zu machen.

Pierrot und Mimile nehmen die Verfolgung Antoines auf. Mit an Bord, eher widerwillig, ist Antoines Enkelin Sophie, eine Aussteigerin, die das Puppen-Wandertheater ihrer Großmutter Lucille weiterführt und hochschwanger ist. Vater unbekannt. In der Toscana nach neunstündiger Fahrt angekommen, stellen sie fest, dass der verhasste Industrielle senil im Rollstuhl sitzt, von einer attraktiven Krankenschwester betreut wird und an Alzheimer leidet. Antoines Mordlust verfliegt, auch wenn Garan-Servier ständig von Lucille plappert und Sophie mit ihr verwechselt. Was nicht unbedingt ein Nachteil sein muss, wie Sophie bald erstaunt feststellt…

Drei alte Haudegen als Hauptakteure, als Kontrast dazu die junge schwangere Sophie. Was für eine Kombination! Die drei Senioren haben es allesamt faustdick hinter den Ohren, nichts mehr zu verlieren und eine bewegte Vergangenheit. Antoine war gewerkschaftlich organisiert und kämpfte für die Rechte der Arbeiter. Sein liebster Feind: Garan-Servier, ausgerechnet sein Arbeitgeber. Der vergessliche Mimile fuhr zur See, spielte auf Samoa Rugby und ist übersät mit Südsee-Tattoos. Und Pierrot ist noch immer ein alter Anarchist, der mit seiner Gruppe ‚Augenlos und frei‘ (der außer ihm lauter blinde Senioren angehören) in Paris die feine Gesellschaft aufmischt und sich mit Schmerzensgelder ein Zubrot verdient.

Senioren als Stars – nichts ungewöhnliches. Ob Clint Eastwoods Space Cowboys, Archie und Harry oder Jean-Marc Lelongs verschlagene Oma Carmen, schon des öfteren haben die Alten in Comic und Film gezeigt, was noch in ihnen steckt. Natürlich gibt es auch hier die altersbezogene Situationskomik – auch als Running Gag: Mimile, der sich schwer tut, alleine aufzustehen und dadurch regelmäßig seinen Einsatz verpasst – was aber nie albern oder plump daher kommt. Vielmehr schließt man die drei rüstigen Greise, die mit einem gesegneten trockenen Humor ausgestattet sind (in diesem Zusammenhang ist auch der despektierliche Titel der Reihe zu sehen), sofort ins Herz. Die Geschichte ist wunderbar flott erzählt, es gibt viele Gags abseits der Handlung, dazu absolut keine Längen und zum Schluss wartet noch ein schöner Clou, der uns auf die Folgebände freuen lässt.

Autor Wilfrid Lupano (‚Alim der Gerber‘, ‚Der Affe von Hartlepool‘) von dem aktuell bei Splitter der nicht minder humoristische Western ‚Der Mann, der keine Feuerwaffen mochte‘ erscheint, beweist hier einmal mehr sein Gespür für originelle Stoffe, die er mit leichter Hand charmant erzählt. Das Dauergrinsen, das sich beim lesen einstellt, hält bis zur letzten Seite an. Mit Paul Cauuet findet der Erzählstil ein perfektes zeichnerisches Äquivalent. Er stellt die drei Alten herrlich überzogen markant und Karikatur artig dar, mit stets passender Mimik und Gestik. Ein liebenswerter, charmanter Auftakt, der heuer folgerichtig auf dem Comicfestival in Angoulême mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Als Zugabe reicht uns Cauuet noch Charakterskizzen, sowie diverse Seitenlayouts und deren Reinzeichnungen nach, die einen Einblick in die Entstehung des Albums geben. Und ab jetzt freuen wir uns auf Band 2, der in Frankreich bereits erschienen ist. (bw)

Die alten Knacker, Band 1: Die übrig bleiben
Text: Wilfrid Lupano
Bilder: Paul Cauuet
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-147-5

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