Vergessene Welt, Band 1 (Splitter)

Juni 26, 2015

Vergessene Welt, Band 1 (Splitter)

Professor Challenger ist ein Forscher und Entdecker von echtem Schrot und Korn. Jenseits reiner Buchgelehrigkeit durchstreift er die Dschungel Südamerikas und nimmt dabei das Tagebuch eines sterbenden weißen Forschers an sich, in dem sich Hinweise auf eine veritable Sensation finden. Auf einem unzugänglichen Hochplateau sollen sich prähistorische Lebewesen erhalten haben, was Challenger seinen snobistischen Kollegen in London frank und frei um die Ohren haut. Als er dabei – natürlich – nur Hohn und Spott erntet, fordert er seinen Widersacher Summerlee zu einer gemeinsamen Expedition heraus, um ein für alle zu beweisen, dass seine Theorie stimmt. Mit an Bord sind der Großwildjäger Roxton, dem die Aussicht, Urweltviecher zu jagen, die Freudetränen in die Augen jagt, und der Journalist Malone, der für seine Gazette von den Abenteuern der Expedition berichten soll (und damit seine Holde für sich einnehmen will, die nun mal partout einen Abenteurer und keinen Waschlappen zum Manne möchte).

Man schifft sich ein nach Brasilien, schippert den Amazonas hoch und nimmt dort Ausrüstung, Indios und den Führer Pablo entgegen, der Challenger auf seinem ersten unglücklichen Versuch, das Plateau zu erreichen, bei einem Schlangenbiss das Leben gerettet hat. Unter permanenten Streitereien der beiden Wissenschafts-Diven erreicht der Trupp schließlich den Fuß der Hochebene, findet dort tatsächlich Hinweise auf die Expedition des verstorbenen Weißen und auch furchteinflößende Mahnungen, die die Indios fast in die Flucht schlagen. Nach fruchtloser Suche nach einem Aufstieg entsinnt sich Challenger des letzten Hinweises seines sterbenden Vorgängers: durch einen riesigen Wasserfall hindurch erreicht man schließlich tatsächlich das Hochplateau und findet sich dort in einer wahrlich phantastischen Welt wieder: denn hier haben längst ausgestorbene Wesen wie Pterdodactyle, Iguanodons und andere Vertreter überlebt. Die Welt der Wissenschaft wird nie wieder dieselbe sein…

Mit Professor Challenger schuf Sherlock Holmes-Vater Arthur Conan Doyle 1912 den Prototypen des draufgängerischen Wissenschaftlers, der als Gegenpol zu den Bücherwürmen konzipiert ist: von athletischer Gestalt, holzt er sich kraftvoll durch zwischenmenschliche Beziehungen und Dschungel gleichermaßen. Von den drei Challenger-Romanen darf ‚The Lost World‘ als das Wegweisende gelten, legte Doyle doch hier den Grundstein für das Mensch trifft Dino-Motiv, das Michael Crichton Jahrzehnte später zum Bestseller und Stephen Spielberg zu einem Film-Franchise ausbaute, das aktuell als Jurassic World wieder die Kinosäle füllt (und tricktechnisch marginal besser ist als die Hammer-Variante mit Raquel Welch im Fell-Bikini. Wobei… hm…). Filmgeschichtlich weitaus spannender allerdings ist die stumme Fassung von 1925, in der ein gewisser Willis O’Brien seine Stop Motion Technik erstmals großflächig zum Einsatz brachte, die einige Jahre später perfektioniert auch die Kino-Ikone King Kong belebte.

In seiner Comic-Adaption hält sich unser Dauergast (siehe unten) Christophe Bec (u.a. ‚Doppelgänger‘ und ‚Heiligtum‘) sehr genau an Doyles Vorlage: Challenger erscheint als ungestümer Hüne, der im Gegensatz zu seinem blassen, zähen Widersacher Summerlee mit beiden Beinen im Dschungel steht und keinerlei Ressentiments, sondern viel Sympathie und gar Freundschaft für die Indios hegt. Journalist Malone, auch in den anderen Challenger-Romanen mit von der Partie, ist teilweise fasziniert vom Geschehen, geht aber letztendlich nur mit auf die Reise, um die Zuneigung seiner Angebeteten zu erringen, über was sich Großwildjäger Roxton weidlich lustig macht. Die Aufzeichnungen des verstorbenen weißen Forschers, seine auf Stein gemalten Hinweise und die an entscheidender Stelle hinterlassene Strickleiter erinnern wohlig an den seligen Arne Saknussemm (bester Name aller Zeiten – keine Diskussion!), der den viktorianischen Wanderern bei Jules Verne den Weg zum Mittelpunkt der Erde wies. Der Bericht Malones, den er parallel zu den Ereignissen schreibt, liefert gewissermaßen die Kommentierung aus dem off, als sich der Trupp vorbei an gigantischen Kaimanen, schroffen Felswänden und in der Höhe kreisenden Flugsauriern dem Sensationsfund annähert, mit dem Band 1 dann auch endet. Stimmig-atmosphärisch untermalt wird das Ganze von Fabrizio Faina und Mauro Salvatori in farblich fein abgestimmtem, aufgeräumten Stil, der in zentralen Szenen wie der Entdeckung des Plateaus und dem ersten Auftritt der Saurier in panoramahaften Totalen sehr deutlich im Gefolge der Filmfassungen des Stoffes steht. Ein absoluter Klassiker der Abenteuerliteratur, in ansprechendem Gewande kongenial umgesetzt – zeitloser Stoff für alle Freunde des Fantastischen. Band 2 (von insgesamt 3) folgt hoffentlich in Kürze. (hb)

Vergessene Welt, Band 1
Text: Christophe Bec, nach Arthur Conan Doyle
Bilder: Fabrizio Faina, Mauro Salvatori
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
14,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-024-9


Christophe Bec bei comicleser.de:

 

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