
Helden pflegt man, das denkt sich auch Antonio, der in seiner Heimat La Vega am Dia des los Muertos die Großtaten des legendären Zorro nachstellt, der vor 180 Jahren für das Dorf kämpfte. Dem Kartellchef El Rojo passt das gar nicht: die Bevölkerung soll gefälligst auf den Mohnfeldern für die Drogenbarone arbeiten und nicht irgendwelchen Freiheitsphantasien nachhängen – weshalb Antonio dem Zorn El Rojos und seinem eigenen Degen zum Opfer fällt. 20 Jahre später: Antonios Tochter Rosa arbeitet wie alle im Dorf für das Kartell und hat sich als Fahrerin mit ihrem Partner Trejo einen Namen gemacht.
Ihr neuester Auftrag ist brisant: irgendein Informant hat der Polizei wohl Details zu den Schmuggeltunneln zugespielt, daher braucht man Alternativen, die auch externe „Geschäftspartner“ mit besprechen wollen – und zwar auf dem Anwesen La Castillo, wo Rosas Bruder Diego, der seit dem Tod des Vaters kein Wort mehr gesprochen hat, in der Obhut von Großvater Alejandro lebt. Als Alejandro dem Drängen des Kartells, auch die Dorfkirche zu Schmuggelzwecken nutzen zu können, nicht nachgibt, macht El Rojo kurzen Prozess mit ihm. Der tödlich Verletzte kann Diego gerade noch den Degen seines Vaters übergeben, worauf Diego tatsächlich in die Rolle des Helden schlüpft: Rosa stellt staunend fest, dass Diego durchaus versiert Degen, Pferd und Peitsche führt und hoch zu Ross mit standesgemäßer Maskierung die Verbrecherlumpen zur Strecke bringt.
Auch der Sprache ist er wieder mächtig, was allerdings klingt wie aus einem alten Hollywood-Streifen, wie auch Diegos Einschätzung der Lage eher dem Original entspricht: Autos, Gewehre und Drogenkartelle sind ihm fremd, er zählt auf die Unterstützung der Bevölkerung „für die gute Sache“, was Rosa regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Aber Diego liegt richtig, man schließt sich ihm an, unter der Führung des dubiosen El Cementerio, der keinesfalls so harmlos ist wie die Dorfgemeinschaft bislang glaubte. Als das Kartell entdeckt, dass im Castillo sämtliche Pläne der Drogentunnel lagern, kommt es erneut zum Showdown, in dem Rosa und der Undercover-Agent Wilco in tödliche Gefahr geraten. Aber Zorro greift mitsamt seiner neu versammelten Legion an und schlägt die Lumpen erneut in die Flucht. In einer alten Höhle schließlich zeigen ihm die Dorfbewohner die alten Ausrüstungsgegenstände seines berühmten Vorgängers, der wohl tatsächlich existiert zu haben scheint…
Zorro, der Fuchs, maskierter Rächer, Held unzähliger Romane, absolvierte seinen ersten Auftritt 1919 im Roman „The Curse of Capistrano“ aus der Feder von Johnston McCulley und erlebte schon 1920 mit Douglas Fairbanks seine erste Leinwand-Inkarnation, bevor er dann nach einem Tonfilm-Klassiker mit Tyrone Power 1940 auch die Serials bevölkerte, die uns Jahrzehnte später als Western von Gestern begeisterten. Genau diese mehrfachen medialen Leben nimmt Sean Murphy (der schon Batman in White Knight furios interpretierte) als Ausgangspunkt für seine ideenreiche Umdeutung des Stoffs. Gab es Zorro tatsächlich, oder war die Figur nur Fiktion? In Gestalt des Diego, der durch den Tod des Vaters einen psychotischen Schock erlitt, lebt Zorro in jedem Falle wieder auf, mit wunderbaren Anachronismen – wie etwa, als Diego mit Peitsche und Pferd die rasenden Pick Up Trucks des Kartells attackiert.
Das ganze Anwesen La Castillo wirkt wie ein Zorro-Museum, gefüllt mit Filmpostern (neben den Klassikern finden sich auch modernere Fassungen wie die Version mit Antonio Banderas von 1998), Comic-Covern und anderen Memorabilia, wobei der Höhepunkt natürlich in der Entdeckung des alten Hauptquartiers besteht, wo der alte Zorro Übungsgeräte, einen Ort zum Studium von Spuren und auch einen Schlafplatz unterhielt – die Bathöhle lässt grüßen, so wie die ganze Zorro-Saga natürlich eine der Hauptinspirationen für Bob Kane gewesen sein dürfte. Diego spricht nach den Worten seiner Schwester „wie in irgendeinem alten Film“, sein Vater eiferte bewusst Tyrone Power nach – und auch daneben bedient sich Murphy weidlich aus Leinwand und TV: Rosas Partner heißt nicht umsonst Trejo, sondern ist auch optisch dem Tarantino-Schwere Jungs-Haudegen Danny Trejo aus dem Gesicht geschnitten.
Auch ansonsten ist die optische Umsetzung der Star: dynamisch, rasant und vor allem in ganzseitigen Ansichten episch stürmt der Band daher, Zorros Auftritte sind im besten Sinne filmhaft, mit Referenzen auf die klassischen Leinwandepen ebenso wie mit kleinen Verneigungen vor den Serials mit den explosiven Cliffhangern und der Storyline „Zorro’s Fighting Legion“, die 1939 in 12 Folgen entstand. Eine einfallsreiche und optisch überwältigende Umsetzung, die bei Splitter mit einem umfangreichen Anhang mit vielen Variant-Covern erscheint, darunter schöne Hommagen an die Filmklassiker und sogar auch V for Vendetta. Fein. (hb)
Zorro – Die Legende lebt
Text & Bilder: Sean Murphy
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
25 Euro
ISBN: 978-3-68950-051-1