Batman – Der Weiße Ritter: Harley Quinn (Panini)

Dezember 15, 2021
Batman - Der Weiße Ritter: Harley Quinn (Panini Comics)

Alleinerziehende Mütter haben‘s nicht leicht – das merkt auch Harleen Quinzel ganz gehörig. Seit sie ihren Lebensabschnittsbegleiter Jack Napier erschossen hat, der in seiner Inkarnation als Joker ordentlich auf- und durchdrehte, ist endgültig Ruhe in Sachen Verbrechen in Gotham City. Bruce Wayne sitzt im Knast, Jason Todd blieb auf der Strecke, aber seit dem rabiaten Durchgreifen von Azrael sind die Lumpensöhne der Stadt Geschichte. Harleen hat seit ihren Ausflügen als Harley Quinn ihre Approbation als Psychiaterin verloren und schlägt sich mit ihren zwei Kindern und ihren Lieblingshaustieren – zwei Hyänen, die ihr der gute Jack einst schenkte – mehr schlecht als recht durch. Umso gelegener muss es ihr da doch kommen, dass sich die Polizei von Gotham City ausgerechnet an sie wendet, als eine Mordserie die Stadt erschüttert. Irgendein Unbekannter scheint es da auf Filmstars aus alten Zeiten abgesehen zu haben, und der Modus Operandi sieht irgendwie nach dem Joker aus.

Da möchten sich die Detectives Duke und Montoya doch gerne der besten Profilerin der Stadt bedienen – Harleen ziert sich anfangs, aber bei einem Besuch im Gefängnis kann das alte Spitzohr sie umstimmen. Am Tatort des nächsten Mordes – dieses Mal erwischt es den alten Filmmogul James Turner – trifft Harleen dann den Polizeipsychiater Hector Quimby, mit dem gemeinsam sie die Ermittlungen aufnimmt. Ganz offenbar hat man es mit einem Joker-Nachahmer zu tun, und die Spur führt relativ schnell zu Marian Drews, die sich erst als zweite Harley und dann als Neo Joker einen Namen in der Unterwelt machte. Im Versteck von Marian, das auch Poison Ivy und der Mad Hatter bevölkern, überzeugt sich Harleen allerdings davon, dass eher ein geheimnisvoller Fremder namens „Producer“ hinter der Sache steckt und auch Marian an Aufklärung interessiert ist.

Als die Angreiferin, die sich „Starlet“ nennt, als nächstes Opfer Simon Trent, der in einem Batman-Film den Helden mimte, ins Visier nimmt, erlebt die Dame allerdings ihr blaues Wunder: der alte Haudegen hat von seinem Filmvorbild Batman einiges gelernt und kann Starlet in die Flucht schlagen. Bei der Beweisaufnahme stellt sich heraus, dass der Kreis der Opfer allesamt zusammenhängt und zu den „Dashing Dames“ gehörte – zu denen auch der alternde Filmstar Sofia Valentine zählte, die im Handgemenge wohl zur Sprache kam. Quimby kommt nicht mehr umhin, reinen Tisch zu machen: er ist niemand anders als der Sohn der alten Filmdiva und avanciert somit unversehens zum Topverdächtigen Nummer Eins. Aber es kommt noch besser: im Verhör berichtet Mama Valentine nämlich, dass der kleine Hector schon als Kind von Harley Quinn fasziniert, besser gesagt besessen war…

Mit „Batman: Curse of the White Knight“ lieferte Sean Gordon Murphy eine fulminante Graphic Novel, die ein Paralleluniversum aufspannte, in dem Gotham komplett vom Verbrechen gesäubert wird, Jason Todd zu Tode kommt, Batman dank seines erbitterten Kreuzzugs im Gefängnis landet, nebenbei der Joker umkommt und einen Nachfolger findet. Im Rahmen der Black Label-Reihe erscheint nun auch diese Dreingabe, in der Romanautorin Katana Collins und Sean Gordon Murphy den Faden zwei Jahre nach den Ereignissen wieder aufnehmen. Harleen Quinzel erscheint dabei ebenso zynisch wie desillusioniert: für das Wohl aller hat sie ihren Geliebten und Vater ihrer Kinder erschossen und fristet deshalb ein eher prekäres Dasein.

In Flashbacks erfahren wir dabei, dass Jack Napier erst durch die psychologischen Studien seiner damaligen Freundin Harleen über den Abgrund gedrängt wurde: Harleen widmete ihren ersten wissenschaftlichen Artikel den „Anfällen“ von Jack Napier, der – als er dies erfährt – vollkommen durchknallt, was die verhängnisvollen Verstrickungen bei Ace Chemicals erst in Gang bringt. So mischt Murphy geschickt die bekannte Bat-Historie – nicht zuletzt die klassische Joker-Origin, die auch Alan Moore im „Killing Joke“ verarbeitete – mit innovativen Ideen, die Harleen zu einer durchaus komplexen Figur machen. Hinzu kommt eine gehörige Portion Film Noir im Stile eines Billy Wilder, dessen Meisterwerk „Sunset Boulevard“ um die alternde Filmdiva Norma Desmond mehr als einmal auch optisch zitiert wird (so etwa im ersten Auftritt von „Starlet“, die ihr Opfer neckisch fragt: „Sind Sie bereit für Ihr close up?“).

Mindestens ebenso faszinierend ist die künstlerische Gestaltung durch Matteo Scalera, dessen gewagt-stilisierten Strich wir aus der „Black Science“-Sause von Rick Remender bestens kennen und der hier sowohl in Figuren als auch Hintergründen einen bewussten Kontrast zum gewohnten Superhelden-Duktus abliefert. Die Black Label Reihe überzeugt damit erneut durch eine frische, freie Interpretation etablierter Charaktere und Konstellationen, die auch versierten Lesern neue Einsichten bietet und vor allem eine furiose Action-Achterbahn abfährt. Der vorliegende Band enthält die Ausgaben 1-6 der US-Serie „White Knight Presents: Harley Quinn“, die ab Oktober 2020 erschien. Von dem Band existiert auch eine auf 555 Exemplare limitierte Hardcover-Variante. (hb)

Batman – Der Weiße Ritter: Harley Quinn
Text: Katana Collins, Sean Murphy
Bilder: Matteo Scalera
164 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
19 Euro

ISBN: 978-3-7416-2465-0

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