The Wake (Panini)

April 2, 2015

The Wake (Panini)

Unterwasser-Thriller bzw. mit Monstern garnierter Survival-Horror kennen wir aus Film und Comic zur Genüge. Spontan fallen Werke wie ‚Das Ding‘ (alt, neu und ganz neu) oder ‚The Abyss‘ ein und im Comic-Bereich hatten wir ja erst mit ‚Deepwater Prison‘ einen Vertreter des Genres hier besprochen. Und auch ‚Alien‘ gehört irgendwie dazu. Spielt zwar nicht unter Wasser, aber ebenfalls in einer abgeschlossenen, menschenfeindlichen Umgebung. Mit ‚The Wake‘ präsentieren uns nun Scott Snyder und Sean Murphy eine komplette Miniserie, die sich nur auf den ersten Blick als typischer Kandidat in das Genre einreiht. Denn da ist noch viel mehr…

Meeresbiologin Lee Archer macht in Walen. Und das sehr gerne, seitdem sie sich bei einem geheimen Rüstungs-Projekt der Regierung mit ebendieser überworfen hat. Jetzt wird sie von einem Agenten zurückgeholt. Sie soll einen seltsamen Unterwasser-Laut analysieren, der aufgefangen wurde. Natürlich steckt hinter der Sache viel mehr/Meer. Und natürlich lässt sich Lee ködern, auch aufgrund einer mysteriösen Begegnung in ihrer Kindheit. So wird sie in eine geheime Unterwasser-Ölplattform gebracht. Dort hält man ein bisher unbekanntes Wesen gefangen, eine Kreuzung aus Mensch, Piranha und Meerjungfrau. Nur nicht nett. Noch ehe man sich mit dem Wesen befassen kann, büxt es aus. Es vermag tödliche Halluzinationen hervorrufen und dezimiert die Besatzung genre-gerecht – bis es seine Artgenossen ruft, darunter eine Art riesiges Mutter-Viech – und gemeinsam macht man die Ölplattform zu Kleinholz. Nur mit Ach und Krach kann sich Lee retten. Vorerst, denn ihr Ende scheint besiegelt.

Schnitt. Massiver Schnitt. Wir befinden uns 200 Jahre in der Zukunft. Die Mers – so nennt man die garstigen Meeres(un)wesen nun, haben ganze Arbeit geleistet. Sie überschwemmten und überschwemmen inzwischen mit riesigen Wellen große Küstenabschnitte der USA, das Land wird kleiner, das Trinkwasser knapper. Wir sehen eine ganz andere Welt, in der man sich mit riesigen Mauern vor den Mers zu schützen versucht. Hier lebt die junge Leeward, aufgeweckt, frech und äußerst neugierig. Sie möchte einem Mythos auf den Grund gehen – mysteriöse Funksprüche aus der Vergangenheit. Ein von der Obrigkeit verbotenes Unterfangen. Doch sie lässt nicht locker und eines Tages empfängt sie eine Nachricht, brandneu, von einer gewissen… Lee Archer! Damit beginnt für Leeward das Abenteuer schlechthin, das sich gleichzeitig als eine Reise zu den Ursprüngen entpuppen wird.

Zwei völlig unterschiedliche Hälften mit komplett verschiedenen Ausrichtungen. Dass mehr hinter der Sache, sprich den Ereignissen in Teil 1 steckt, ahnt man aufgrund der Ausflüge in andere Zeiten schnell, dass sich aber alles so clever fügt, dazu noch mit Anspruch, ist dann doch angenehm überraschend. Mehr wollen wir von Teil 2 nicht preisgeben, das wäre sowas von unangebracht. Fest steht: was sich im ersten Teil ausnimmt wie ein typisches Unterwasser-Horror-Szenario, mutiert in der zweiten Hälfte. In unerwartete wie überraschende Richtungen. Zum einen in der Zeit – der Teil spielt 200 Jahre später (Teil 1 in unserer Gegenwart). Zum anderen im Ausmaß. Haben wir anfangs ein typisch klaustrophobisches Szenario, zeigt man uns jetzt die Welt, wie sie durch die Invasion der Mers geworden ist. Die Figur der Leeward wird eingeführt. Und dann, nach und nach, als Leeward ihre außergewöhnliche Sinnsuche startet, öffnet sich die Story noch viel weiter, nimmt immer größere Dimensionen an. Wie und was genau – nein, das werden wir hier an dieser Stelle nicht verraten. Bitte selbst lesen, es lohnt sich.

Ansonsten verteilen wir an Story und Zeichnungen nur die besten Attribute: die Geschichte ist stets spannend wie fesselnd, abwechslungsreich und höchst originell. Überraschend ambitioniert und spektakulär. Die Auflösung glänzt mit vielen Details die Story betreffend und ist wahrlich allumfassend. Ob Scott Snyder (Batman Eternal, Superman Unchained) da sogar ein bißchen viel wollte, das mag jeder Leser selbst entscheiden, das Lesevergnügen trübt es in keinem Fall. Sean Murphys (Hellblazer, American Vampire) Zeichnungen sind kantig, mit kräftigem Schwarz, modern, erinnern aber trotzdem an die Zeichenstile alter Recken wie Bill Sienkiewicz oder Walter Simonson. Farblich hält man sich angenehm zurück. Keine auffällig Computer generierten Farbexplosionen oder Schattierungen. Die Farben von Matt Hollingsworth sind klar, unterstützen den markanten Strich und erinnern dabei auch an die Zeiten als man noch nicht per Computer kolorierte. Und besonders die aufwendig detaillierten Collageseiten im zweiten Teil sind was für die Augen. Panini präsentiert den kompletten Vertigo-Zehnteiler, der 2014 mit einem Eisner Award für die beste Miniserie ausgezeichnet wurde, in einem wertigen Hardcover-Band. Verdientermaßen. (bw)

The Wake
Text: Scott Snyder
Bilder: Sean Murphy, Matt Hollingsworth (Farben)
228 Seiten in Farbe, Softcover
Panini Comics
24,99 Euro

ISBN: 978-3-95798-111-0

Tags: , , , , , , , ,

Comments are closed.