Kalifornien 1849: das Land ist eine „freie Republik“, was kurz vor der Konferenz von Monterey nichts anderes heißt, als dass ein rechtsfreier Raum herrscht, der Geschäftemachern und Halunken Tür und Tor öffnet. Massenweise werden die ehemaligen mexikanischen Landbesitzer vertrieben und ihr Grund und Boden annektiert, zumal der erste Goldrausch die Preise in die Höhe treibt. Das nutzt auch der Großgrundbesitzer Gomez eiskalt aus und reißt unter anderem die Besitztümer der Familie Vega an sich, während der junge Erbe im weit entfernten Madrid studiert. Alsbald regt sich allerdings Widerstand gegen die verdammten Besatzer: immer wieder greifen maskierte Männer die Minen und auch das Wohnhaus von Gomez an, in dem Versuch, die alte Legende des Volkshelden Zorro wieder zu beleben.
Dagegen geht Gomez mit seinem Handlanger Borrow mit eiserner Faust vor, richtet ohne zu zögern Zivilisten hin und schreckt auch vor Folter nicht zurück. Der Geistliche Padre Delgado sammelt einstweilen den Widerstand im Untergrund und holt auch den jungen Don Vega zurück nach Hause, in der Hoffnung, doch noch etwas gegen Gomez ausrichten zu können. Und tatsächlich tritt nach kurzer Zeit ein weiterer Maskierter auf, der deutlich schlagkräftiger und wirkungsvoller auftritt als seine Nachahmer. Borrow nimmt die Fährte des geheimnisvollen Fremden auf – immerhin besitzen nur Adlige die Art von Degen, mit denen der Untergrundkämpfer seinen Opfern eine Zackenlinie ins Gesicht ritzt. Schnell fällt der Verdacht auf den jugendlichen Erben des Vega-Besitzes, dessen Mutter unerkannt im Hause versteckt gehalten wird. Als Gomez‘ Ehefrau die Sache nicht mehr länger mit ansehen kann und die Dame befreit, eskaliert die Situation…
1939 besucht ein kleiner Milliardärssohn mit seinen Eltern einen Kinofilm: „The Mark of Zorro“ wird da geboten. Auf dem Heimweg wird die Familie überfallen, die Eltern umgebracht, der Junge schwört Rache und bekämpft fortan, gekleidet wie sein großes Idol, das Verbrechen. Dass Bob Kane bei seinem Batman auf die Figur des maskierten Rächers Zorro zurückgriff, unterstreicht die populärkulturelle Bedeutung der Schöpfung von Johnston McCully, der 1919 mit „The Curse Of Capistrano“ im Pulp-Magazin „All-Story Weekly“ die erste Erzählung um den Edelmann mit Doppelleben vorlegte, der schließlich insgesamt noch 60 weitere Geschichten folgten. Don Diego de la Vega mimt am Tag den Lebemann, dem das Leiden seiner Landsleute herzlich egal ist, um des Nachts umso vehementer als moderner Robin Hood gegen das Unrecht einzutreten.
Obwohl die ikonische Kombination von Maske, Mantel und Degen schon 1920 durch das Douglas Fairbanks-Vehikel definiert wurde, lernten wir die Figur vor allem Freitags im Fernseh-Vorabendprogramm kennen: am 5. Mai 1978 nämlich eröffnete das Serial „Zorro reitet wieder“ von 1937 (in ruppiger Synchronisation, mit neuer Musik und von 12 auf 6 Episoden gekürzt) die legendäre Reihe „Western von Gestern“, die wir wöchentlich atemlos verfolgten (und danach die Peitschentricks mit einem Strick völlig erfolglos nachzuahmen versuchten).
Pierre Alary (u.a. „Silas Corey“, „Moby Dick“), der als Start der aktuellen Howard-Adaptions-Reihe schon den Pulp-Helden Conan kongenial belebte, bleibt in seiner ausladenden Comicversion nahe an McCullys Vorlage und entfaltet den beginnenden Rachefeldzug des Don Vega, der nicht nur seiner Familie, sondern seinem ganzen Land zur Gerechtigkeit verhelfen will. Beeindruckend dabei sind vor allem die großformatigen, fein gestrichenen Landschaftsszenen, die von atmosphärischen Momenten bei nächtlichen konspirativen Treffen und in den Goldminen ergänzt werden. Splitter legt den Band sehr hochwertig aufgemacht als Hardcover, ergänzend auch als eBook, vor. So, und jetzt legen uns wieder mal das gute alte Serial ein, das eine der hauptsächlichen Inspirationen für einen gewissen Indiana Jones lieferte – immerhin müssen wir jetzt nicht mehr eine ganze Woche warten, um zu sehen, wie Zorro sich wieder aus der Bredouille laviert. Und die Saloon-Tanz-Szene im Vorspann ist immer noch knorke. (hb)
Don Vega
Text: Pierre Alary, nach Johnston McCully
Bilder: Pierre Alary
96 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96219-542-7