Batman created by Bob Kane. Jahrzehnte lang konnte man diesen Satz u.a. in jedem einzelnen Batman Comic lesen, seit dem ersten Auftritt des heutigen Dunklen Ritters in Detective Comics #27 im Jahr 1939. Erst ab Oktober 2015, nach über 75 Jahren Batman Historie, änderte sich das, denn der Satz war von Beginn an falsch. Jetzt heißt es richtig und korrekt: Batman created by Bob Kane with Bill Finger. Aber warum hat das solange gedauert? Wie kann es sein, dass Milton „Bill“ Finger, der Miterfinder jener ikonischen Comicfigur, obwohl er Zeit seines Lebens im Comicgeschäft arbeitete (er schrieb auch zwei Folgen der 1966er Batman TV-Serie), Jahrzehnte lang unsichtbar war und sein Wirken und Werk scheinbar konsequent Nichtbeachtung fand?
Der in Münster geborene Autor Julian Voloj geht dieser Sache in seinem neuesten Werk nach. Voloj ist Spezialist für ungewöhnliche Comic-Biografien, die alles andere als trocken präsentiert werden und zu lesen sind. Schachgenie Bobby Fischer, Fußballer Oskar Rohr („Ein Leben für den Fußball“) und nicht zuletzt Superman-Mitschöpfer Joe Shuster waren u.a. Gegenstand seiner Comics, die jeweils von einem anderen Zeichner gestaltet wurden. Auch in seiner Geschichte über Bill Finger belässt es Voloj nicht bei einer bloßen chronologischen und episodischen Schilderung und wartet mit einem wunderbaren Kniff auf: Er zeigt den Autor und Comicfan Mark Nobleman (der mit „Bill, the Boy Wonder“ die erste und bisher einzige Biografie über Bill Finger schrieb) bei seiner detektivischen Recherchearbeit bezüglich des großen Unbekannten, wobei wir als Leser und Leserin ihm quasi über die Schulter schauen. Dazwischen wechseln Voloj und sein Zeichner Erez Zadok immer wieder direkt zu Bill Finger, beginnend 1938 mit der ersten Begegnung mit Bob Kane auf einer Party in New York.
Nobleman versucht ab 2006 Details über Finger (der bereits 1974 mit 59 Jahren starb) und sein Leben herauszufinden – er besitzt anfangs nicht einmal ein Foto von ihm -, sucht seine alten Adressen und Wohnungen auf und kassiert dabei immer wieder Rückschläge und Enttäuschungen. Auch alte Weggefährten, darunter Carmine Infantino und Jerry Robinson (der selbst einen großen Anteil an der Bat-Historie hat) interviewt er. Die sind zwar voll des Lobes für Finger, können aber nur meist auch nur Anekdoten zum Besten geben. Dennoch formt sich ganz langsam auch dank seiner Hartnäckigkeit für Nobleman ein Bild von Bill Finger. Nach und nach gelingt es ihm Fingers Leben rekonstruieren, bis er schließlich sogar dessen Familie bzw. Nachfahren ausfindig machen kann. Ermutigt durch Nobleman erreicht Bill Fingers Enkelin Athena, dass der Name von Batmans Co-Schöpfer endlich aus der Vergessenheit geholt und offiziell in den Batman Comics vermerkt wird.
Im anderen Part des Bandes, der Fingers Leben schildert, geht es schnell. Bill, damals noch Schuhverkäufer, triff Bob Kane. Man freundet sich an und veröffentlicht erste Comics, wobei schon hier als Urheber nur Kane genannt wird. Als National Comics Publications, das später zu DC wurde, einen „neuen Superman“ verlangt, entwickeln Kane und Finger die Figur des Fledermaus-Mannes, wobei Finger weite Teile der Origin beisteuert und später auch das Gros der heute noch klassischen Schurken-Riege, allen voran den Joker, erfindet. Dann schreibt er auch die ersten Green Lantern Comics und wird hier neben Zeichner Martin Nodell als Mitverfasser genannt. Und bei Batman? Hier behält Bob Kane beinahe zeitlebens die Oberhoheit. Er schloss die Arbeitsverträge ab und war vielleicht in dieser Hinsicht auch cleverer, geschäftstüchtiger und skrupelloser als Finger. Daneben beschäftigte er sogar Ghost-Zeichner, die in seinem Namen die Comics zeichneten…
Gleichermaßen schön und originell ist die Bildsprache in dem Band. Wie die schon auf dem Cover zu sehenden fliegenden Buchstaben, die sich langsam in Fledermaus-Silhouetten verwandeln. Oder auch fließende Übergänge zwischen den Handlungsebenen. Dazu kommen typische Comic-Motive wie der erste Auftritt von Mark Nobleman als Superheld in einer Splashpage oder ein wie der Leibhaftige am Firmament dräuende Frederic Wertham, der mit seiner Kampagne und in seinem „Werk“ Seduction of the Innocent eine ganze Branche verdammte. Inzwischen ist Bill Finger anerkannt und sein Werk wird gewürdigt. Eine Straße in New York ist nach ihm benannt – all das was ihm zu Lebzeiten nicht zuteilwurde… (bw)
Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters
Text & Story: Julian Voloj
Bilder: Erez Zadok
136 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
24 Euro
ISBN: 978-3-551-71136-6