Bobby Fischer (Knesebeck)

Mai 31, 2022
Bobby Fischer – Eine Schachlegende zwischen Genie und Wahnsinn (Knesebeck Verlag)

Immer spannend: wie illustriert man die Biographie einer Berühmtheit, wenn man problemlos alles über die betreffende Person im Internet, sei es auf Wikipedia oder Youtube, erfahren kann? Wie schafft man den Anreiz, Bekanntes in Comic-Form noch einmal nachzulesen? Autor Julian Voloj ist auf genau diesem Gebiet inzwischen ein Fachmann, hat er doch bereits mehrere Comic-Biographien geschrieben, u.a. über Marlene Dietrich, einen der Väter Supermans („Joe Shuster: Vater der Superhelden“) oder „Ein Leben für den Fußball: Die Geschichte von Oskar Rohr“. Nun nimmt er sich eines exzentrischen Schachgenies an, das einerseits noch heute für sein Spiel verehrt wird und das anderseits für seine zu Lebzeiten rassistischen Ansichten und Äußerungen heftig umstritten war: Bobby Fischer.

Ein großer Teil der Handlung beschreibt die Jugend des 1943 geborenen Fischers und seine wachsende Hingabe zum Schach, die schließlich so weit geht, dass er die Schule ohne Abschluss vorzeitig verlässt. Seine Mutter – er stammt aus bescheidenen Verhältnissen – schenkt ihm sein erstes Schachspiel, bald wird man im Brooklyn Chess Club auf ihn aufmerksam. Dessen Vorsitzender, Carmine Nigro, nimmt ihn unter seine Fittiche. Fischer bestreitet die US-Juniorenmeisterschaft, da ist er gerade zwölf. Mit 15 wird er nach Russland eingeladen, dort betreibt man das Schachspiel professionell und stellt auch für Jahrzehnte den aktuellen Weltmeister. Eine durchaus problematische Reise des „Klassenfeindes“ nach dem Ende der McCarthy-Ära, nicht nur weil Fischers Mutter wegen Sympathien zu Russland vom FBI beobachtet wird.

Denn auf dieser Reise treten erstmals Fischer Allüren zu Tage, sein Eigensinn, seine Sturheit, die ihm später immer wieder im Weg stehen werden. Er verprellt seine Gastgeber, will unbedingt seinen Lebensunterhalt mit seinem Spiel bestreiten und stellt Gehaltsforderungen an die Russen. Trotzdem steigt Fischer in der weltweiten Schachhierarchie unaufhaltsam, bis er 1972 in Reykjavik gegen Boris Spasski um den Weltmeistertitel spielt. Zum Duell der Systeme hochstilisiert, mitten im kalten Krieg, gibt es diverse Querelen und Forderungen von beiden Seiten, wobei Fischer einmal mehr seine schwierige Persönlichkeit zur Schau stellt und das Duell schließlich deutlich gewinnt. Was schon (fast) das Ende seiner Schach-Karriere darstellt, sollte er doch in Zukunft kaum noch öffentlich Spiele bestreiten. Stattdessen verstrickt er sich zusehend in peinlichen Verschwörungstheorien, liest Hassliteratur, hetzt gegen Juden und befürwortet sogar die 9/11 Anschläge. Bis er auf Island Asyl findet, wo er im Januar 2008 stirbt.

Julian Voloj und sein Zeichner, der Brasilianer Wagner Willian, der klar und nüchtern zeichnet, stellen das Geschehen und das Leben Fischers immer wieder mit diversen optischen Kniffen dar. So werden zu Beginn und auch später immer wieder parallel zur Handlung die Regeln des Schachspiels erklärt (die Handlung in weißen Panels, die Regeln in schwarzen Textpanels). Dann werden die Menschen auf der Straße zu Schachfiguren, was Fisches Obsession mit dem Spiel verinnerlicht. Später irrt er zwischen überdimensionalen Schachfiguren auf dem Spielbrett umher – was an die erfolgreiche Netflix-Serie „Damengambit“ (The Queen’s Gambit) erinnert. Und vermeintliche Verschwörungsbotschaften auf Werbetafeln visualisieren seine Paranoia und seine wahnhaften, widerlichen Ansichten. Ein Umfangreiches Personenregister beschließt den Band, der sich dann doch weitaus angenehmer liest als ein nüchterner Wiki-Eintrag. (bw)

Bobby Fischer – Eine Schachlegende zwischen Genie und Wahnsinn
Text: Julian Voloj
Bilder: Wagner Willian
192 Seiten in Farbe, Hardcover
Knesebeck Verlag
22 Euro

ISBN: 978-3-95728-551-5

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