
Britannien im fünften Jahrhundert: Der Zauberer Merlin aus jener unaufklärbaren Sagenwelt rund um die Artuslegende ist ein Pfeiler dieses Bandes. Der Fantasy-Teil. Dazu kommt der Science Fiction Part: Nach fatalen Geschehnissen im Jahr 2112 auf dem Planeten Proxima Centauri B führen Killer-Roboter, die man die Cast nennt, einen unerbittlichen Krieg gegen die Menschen. Der dritte Pfeiler ist dann die Gegenwart. Hier sehen wir die junge Amber aus Brighton, ein Goth-Nerd und Fan der alten Legenden und ihren Freund Daryl.
Die drei völlig unterschiedlichen Erzählstränge und deren Figuren werden nach und nach miteinander verknüpft, bis dann zum Finale darüber Klarheit herrscht. Wie das? Dazu hier einige Appetizer aus der Story: Merlin stammt nicht aus dem fünften Jahrhundert und ist auch kein Zauberer. Um die Cast zu besiegen braucht es Magie, die wiedergefunden und gerettet werden muss. Und: Auch Daryl und Amber sind nicht was sie scheinen. Soviel dazu, den Rest bitte selbst lesen…
Was der britische Autor und Zeichner Liam Sharp hier fabriziert, fliegt einem regelrecht um die Ohren. Als eine inhaltliche und visuelle Breitseite, die sich gewaschen hat. Zuerst die Zeichnungen, oder besser die Malereien. Überbordend, monumental. Ganzseitige Gemälde, die im Fantasy-Part auch Simon Bisley oder Frank Frazetta Tribut zollen. Im Science Fiction Teil werden die Bilder und die Seitenkompositionen abstrakter, aber ebenso düster, mit Anklängen an Philippe Druillet über Dave McKean und John Bolton bis zu H.R. Giger.
Fast immer sprengen dabei die Tableaus und Layouts die konventionellen Panelordnungen. Die Gegenwart mit Amber und Daryl wird ganz in Schwarz-Weiß in einem fotorealistischen Stil gehalten. Zumindest bis zu einem bestimmten Ereignis. Dazwischen bricht Liam Sharp, der zu Zeiten von „Spawn: The Dark Ages“ mal beim Comic-Salon in Erlangen zu Gast war, erneut und ganz bewusst mit seinem Stil: ein Rückblick im Funny-Modus und eine Episode, die optisch an einen Bernie Wrightson Comic aus den Siebzigern erinnert.
Die Story und den Zugang zu dem Band muss man sich jedoch erarbeiten. Denn bisweilen droht die komplexe Geschichte, die u.a. die Artuslegende gewissermaßen im Schnelldurchlauf behandelt und interpretiert, mit ihrem bedeutungsschwangeren Texten die Bilder zu erschlagen. Und dann ist es wieder umgekehrt. Aufgelockert wird das Ganze durch die launigen, frechen Anmerkungen der Ich-Erzählerin Amber, die auch voller aktueller Bezüge stecken und die in ihrer Respektlosigkeit den doch schweren mythischen Stoff ein ums andere Mal konterkarieren.
Der Science Fiction Part, der eigentliche Auslöser der Story, changiert inhaltlich und textlich zwischen einer Jodowsky-ähnlichen Fremdartigkeit und dem bekannten Terminator Motiv – Maschinen gegen Menschen. Dazu gibt es zwischen ganzseitigen Bildern oder Kompositionen immer wieder viel zu lesen, als Fließtext, mit nur wenigen Sprechblasen. Man ist gefordert und immer wieder, nein, eigentlich stets erstaunt ob der Zeichenkunst von Liam Sharp. Der Verlag Skinless Crow bringt den Auftakt, der 2024 für den Eisner Award nominiert war, in einer gewohnt hochwertigen Aufmachung. Samt Loch im Cover. (bw)
Starhenge, Buch 1: Der Drache und der Eber
Text & Bilder: Liam Sharp
168 Seiten in Farbe, Hardcover
Skinless Crow
39,50 Euro
ISBN: 978-3-03963-053-0