Manchmal hat man eben Glück. Bei Recherchen entdeckt der 1988 geborene italienische Mittelalter-Spezialist Emanuele Arioli in einer alten Handschrift ein Fragment eines vergessenen Romans, das von einem bisher unbekannten Ritter von König Artus‘ Tafelrunde handelt. Die Entdeckung lässt ihn fortan nicht los – über ein Jahrzehnt forscht und fahndet der junge Wissenschaftler weltweit nach weiteren Teilen dieses Romans – und findet sie. Schließlich lässt sich die Geschichte um den Ritter zu weiten Teilen zusammensetzen. Arioli promoviert mit diesem Thema und veröffentlicht diverse Bücher darüber. Auch Arte widmet ihm und seiner Entdeckung eine ausführliche Dokumentation. Im Original heißt der Ritter Ségurant, in der Deutschen Fassung nennen wir ihn Sivar (man beachte die namentliche Nähe zu Siegfried). Und seine Geschichte geht so:
Britannien im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Römer sind inzwischen verschwunden, das Land steht an der Schwelle zum Mittelalter. Einem Heerführer gelang es, mehrere Volksgruppen zu einen: König Artus, der in Camelot über sein Reich namens Logres regiert. Traditionelle Riten und Kulte hat er verboten, was vor allem jenen bitter aufstößt, die alte Magie betreiben. Weit entfernt von Camelot wächst der junge Sivar, Sohn eines Fischers, auf einer Insel heran. Bald erfährt er seine wahre Herkunft. Seine Mutter Lilith war eine Seidkona, eine mächtige Hexe und sein Vater ist unbekannt. Einst wurde er heimlich von Merlin zu seinem Ziehvater gebracht, um dort unerkannt aufzuwachsen. Nun ist sein Ziel Camelot und dort König Artus. Um eine Audienz bei ihm zu bekommen, wählt er einen spektakulären Weg. Und dann erscheint ein riesiger Feuer speiender Drache, den offenbar nur Sivar sehen kann…
Natürlich gibt es auch Gegenspieler in der Geschichte. Und ein finales Ziel, nämlich und natürlich den heiligen Gral. Doch vorher schwenkt die Handlung immer wieder auf Morgane, Artus‘ Halbschwester, auch als Morgan Le Fey bekannt, die finstere Mächte beschwören will, um ihren Bruder zu vernichten, Camelot zu zerstören und um schließlich die Macht zu ergreifen. Ein dunkles Zeitalter soll anbrechen. Bald bildet sich um Sivar eine kleine Schar, die sich aufmacht zu einer monumentalen Quest, denn schließlich geht es um nichts weniger, als um die Rettung der Welt.
Tatsächlich waren die Abenteuer um den Drachenritter Sivar/Ségurant im Mittelalter ein Bestseller, wurden sie in den Skriptorien doch nicht nur kopiert, sondern auch immer wieder munter ergänzt und erweitert. Fast scheint es, als hätte man dabei diverse Motive der Artuslegende wüst durcheinander gewürfelt, nur um sie dann anders wieder zusammen zu setzen. Vieles an der Geschichte ist vertraut, doch leicht verändert. Die Personen: Artus, der nurmehr eine Nebenrolle spielt, Merlin als liebestoller Zauberer, die Ritter Gawain und Lancelot. Morgane und Nimue, die auch als Lady of the Lake bekannt ist. Camelot, dann die Gralssuche und natürlich der Drache. Die epische Quest. Fast erwartet man, dass Prinz Eisenherz um die Ecke biegt.
Manches erscheint modern und dazu gedichtet (inwiefern sich die Comicfassung von dem historischen Roman unterscheidet, lässt sich nicht beurteilen, weil nicht ersichtlich). Beispielsweise die drei Prüfungen, die auch perfekt in einen Indiana Jones Film passen würden. Für eine Prise Humor sorgt der begriffsstutzige Halbriese Golian und tatsächlich auch der sonst ernste Zauberer Merlin, dem sogar noch ein finaler Gag gewidmet ist. Zeichner Emiliano Tanzillo setzt das Geschehen stilisiert und dabei fulminant in Szene, immer wieder durchzogen von beeindruckenden, ganzseitigen Panels und mit einer gediegenen Farbgebung. So entsteht eine unterhaltsame Gralssuch-Variante, die in ein spektakuläres Finale mündet. In einem Nachwort geht Arioli noch einmal auf seine Entdeckung ein, die seine ganz persönliche Quest auslöste. (bw)
Der Drachenritter am Artushof
Text & Story: Emanuele Arioli
Bilder: Emiliano Tanzillo
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Carlsen Verlag
28 Euro
ISBN: 978-3-551-78920-4