Sláine, Band 6 (Dantes Verlag)

September 28, 2020

Oberchef bei den Sessair ist er geworden, der alte Wüterich Slaine, der sich jetzt anschickt, das Land der ewigen Jugend Tir Na Nog vom Joch der Drunes und ihres Anführers, dem halb verwesten Feg, zu befreien. Dafür muss er die vier verbotenen Waffen der Atlantiden einsammeln: den Kessel des Dagda, der schon in seinem Besitz ist; das silberne Mondschwert Nuadas, das jedes Metall durchschneidet; den Flammenspeer des Lug, der ständig nach Blut schreit; und zu guter Letzt den heiligen Stein des Schicksals, der den rechtmäßigen Hochkönig erkennen kann. Sein Druide Cathbad rät im dringlichst von der Sache ab: wenn es ihm tatsächlich gelingt, alle vier Artefakte einzusammeln, wird Slaine unvermeidlich zum Nachfolger des gehörten Gottes, der Tod und Unheil bringt. Slaine will das nicht so ganz glauben: er steigt er in die Anderswelt hinab, wo ihm die Erdgöttin Danu erst mal ordentlich was raushängt und ihm dann erklärt, dass der gehörnte Gott eigentlich ein ehrenhafter und aufrichtiger Recke sei, der ihr zehnmal lieber als die läppischen Sonnenkönige ist.

So gestählt, macht sich Slaine mit seinem Sidekick Ukko daran, die drei fehlenden Schätze zusammenzuholen. Misstrauisch beäugt ihn dabei die Hexe Megrim, die ihrem Geliebten Feg alles flüstert, was Slaine so treibt. Der lädt König Rudraige, den Besitzer des Schwerts Nuadas, zu einem Festmahl ein, um ihm die Waffe abzuluchsen – und stellt dabei erstaunt fest, dass Rudraige seine frühere Gespielin Niamh geehelicht hat. Megrim hetzt dem jungen Paar das Ekelviech Avagdu aus dem Kessel des Dagda auf den Hals, aber die Attacke geht gehörig schief – Punkt und Etappensieg für Slaine. Per Flugdrachen geht es dann ins Reich Finias zu König Gann, bei dem der unheimliche Flammenspeer residiert, den sich Slaine erringt, indem er den Angriff eines Drachens aus der Anderswelt abwehrt. Den Stein des Schicksals schließlich entreißt man einem Unterseeviech namens Addanc, wobei Slaine die fiese Megrim wieder aufs Kreuz legt. So komplettiert, zieht Slaine schließlich in die Schlacht gegen die Fomori, die er gnadenlos niedermacht, bevor er dann der Drune-Armee um Feg selbst gegenübertritt… 

In seinem kurzen Vorwort lässt Slaine-Erfinder und Schreiberling Pat Mills keinen Zweifel an der Sonderstellung, die dieses Epos im Slaine-Universum genießt: der Storybogen „The Horned God“, der erstmals 1989 in den Ausgaben 626-635, 650-656 und 688-698 von 2000 AD das Licht der Welt erblickte, avancierte schnell zur populärsten und erfolgreichsten Graphic Novel-Auskopplung, die das Magazin jemals hervorbrachte. Die typische Fantasy-Adventure-Storyline – man sammle diverse magische Artefakte, um damit endgültig zum König zu werden und den Krieg zu gewinnen – grüßt aus allen Indiana Jones, Lara Croft, Herr der Ringe und Conan-Ecken, wie immer scharf gewürzt mit jeder Menge (pseudo)-keltischem Background in Mythologie und populärer Folklore. Dazu kredenzt Mills pausenlos Twists und Meta-Ebene, so etwa in der durchaus religionskritischen Enthüllung der Erdgöttin, dass ihr der Gehörnte (also der Leibhafte selbst) deutlich lieber ist als alle selbstgerechten religiösen Fanatiker, oder in der Rahmenhandlung, in der ein gealterter Ukko die Geschehnisse in einer Burg der Immerlebenden zu Papier bringt und dabei so manche Ausschmückung durchgehen lässt.

Ganz bewusst stellt Mills für alle Einsteiger mit dem Kunstgriff des Schreiberlings Ukko eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse voran und macht den Band somit auch als Erst- und Einzig-Slaine-Lektüre verständlich. Der absolute Top-Star allerdings ist auch nach Mills‘ Einschätzung die künstlerische Gestaltung von Simon Bisley: waren die Abenteuer des Kelten-Kriegers bislang in schwarz-weiß gehalten und von einem underground-angehauchten, filigranen Stil geprägt, packt Bisley hier die ganz große Geste aus. Auf jeder Seite beeindruckt die leicht stilisierte, großflächige Gestaltung, die in ganzseitigen Portraits, Schlachtenbildern oder Szenerien besticht, die immer wieder an Fantasy-Szenegrößen vom Schlage eines Frank Frazetta erinnern. Im besten Wortsinne erwachsen präsentiert sich der ehemalige Rüpel Slaine hier, sowohl in Story als auch Inszenierung, was die beste Symbiose von Form und Inhalt liefert, die die Serie bislang zu bieten hat. Mills stellt selbst fest, dass man diese Höhen später nie mehr erreichte – wir werden das in den folgenden Ausgaben verfolgen. Bei Dantes Verlag hat sich Herausgeber Josch wieder jede Mühe gemacht, den Band würdig auszugestalten, in hochwertigem Hardcover, versehen mit einem ausführlichen Anhang und einer Covergalerie, wodurch dieses Abenteuer nach der deutschen Erstveröffentlichung, die im Hause Bastei 1990 besorgt wurde, nun in vollem Glanze erstrahlt. (hb)

Sláine, Band 6: Der gehörnte Gott
Text: Pat Mills
Bilder: Simon Bisley
216 Seiten in Farbe, Hardcover
Dantes Verlag
39 Euro

ISBN: 978-3-946952-26-8

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