Paris, heute: Linn ist eine Meisterdiebin und setzt damit eine Familientradition fort. Im Auftrag des zwielichtigen Kunstsammlers Argonovitch soll sie nun ein altägyptisches Medaillon stehlen. Ein vermeintlich einfacher Job, der jedoch zuerst in die Hose geht und dann völlig eskaliert. Denn die Bestohlene, eine Dame namens Lamia, erweist sich als durchaus wehrhaft. Linn gerät schließlich zwischen die Fronten, als Argonovitch, Lamia und deren Handlanger sich abwechselnd an ihre Fersen heften. Auf der erneuten Suche nach dem antiken Juwel geht Linn in der Wohnung von Lamia durch eine Tür, eine Pforte, die sich als Zugang zu einer anderen Welt erweist. Und zu einer anderen Zeit. Womit Linns Probleme erst so richtig loslegen…
Vom Regen in die Traufe. Denn das Paris, das wir im zweiten Schauplatz des Bandes kennenlernen, ist ein ganz anderes. Enge Gassen statt breite Boulevards. Lange Holzspieße, die von den Dächern in den Himmel ragen. Wozu? Hier kommen Meister Worn, der „Herr der Angst“, der eine Pestmaske trägt und sein Gegenspieler, der Chevalier Cerf ins Spiel. Und Monster. Viele Werwolf-artige Monster. Das Motiv des unerklärlichen Übertritts eines Helden oder Heldin in eine andere Zeit und/oder Welt ist natürlich nicht neu im Genre des Phantastischen. Schon Mark Twain schickte einen Yankee an den Hof von König Artus. Auch im franko-belgischen Comic finden sich diverse gelungene Beispiele, wie „Reise ans Ende der Welt“, oder „Sasmira“, beide übrigens von Laurent Vicomte gezeichnet. Und wie in „Sasmira“ spielt auch hier das alte Ägypten eine gewisse Rolle.
In beiden Welten wird die Diebin Linn in Konflikte verwickelt. Zuerst der Ärger im heutigen Paris mit dem misslungenen Coup, dann gerät sie in das alternative, mittelalterliche Paris, das sich einer existentiellen Bedrohung stellen muss, ein vermeintlich aussichtsloses Unterfangen. Und in beiden Welten scheint Lamia zuhause zu sein, deren genaue Rolle noch geklärt werden muss. Überhaupt bleiben viele Fragen offen. Die Historie der Charaktere wird nur angedeutet, deren Motive liegen noch im Dunkeln. Hier können wir uns im abschließenden zweiten Band sicher noch auf einiges gefasst machen. Hier, zum Finale des Auftakts, beherrscht Action das Geschehen. Der blanke Horror überrollt die Stadt – wer kann, ergreift die Flucht.
Autor des Zweiteilers ist der Routinier Stephen Desberg („Der Skorpion“, „IR$“, „Harry und Platte“, „Volage“ u.v.a.), der scheinbar in allen Genres zuhause ist. Hier kreuzt er Historienstoff mit dem Phantastischen, eine Kombination, die Laune macht, auch wenn sich Linn überraschend schnell und reibungslos in ihrer neuen „Umgebung“ zurechtfindet. Gezeichnet ist der Band von dem in London lebenden Franzosen Yannick Corboz. Der setzt mit seinem schwungvollen Strich die beiden völlig unterschiedlichen weiblichen Hauptfiguren elegant in Szene und taucht das Geschehen in stimmige Farben, wobei Rottöne – von der Haarpracht Linns bis zum brennenden Paris – hervorstechen. Der Band ist direkt beim Verlag auch als limitierte Vorzugsausgabe (99 Exemplare, siehe links) mit alternativem Cover und signiertem Druck erhältlich. Der abschließende zweite Teil ist in Vorbereitung. (bw)
Die Flüsse der Vergangenheit, Band 1: Die Diebin
Text & Story: Stephen Desberg
Bilder: Yannick Corboz
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Blattgold GmbH / Zack Edition
24 Euro
ISBN: 978-3-949987-38-0