Eigentlich klingt die Story unkompliziert: eine Geheimorganisation, die die Geschicke der Welt beeinflusst, wird zerschlagen. Danach versucht eine Gruppe von Ex-Agenten, diese Organisation neu zu gründen, während die andere – die Guten – ebendies verhindern will. So entsteht ein Konflikt, der sich immer weiter verschärft, bis es zum dramatischen Finale kommt. Doch Autor und Zeichner Matt Kindt verpackt diese Story, die im Kern den dritten und letzten ziegeldicken Omnibus-Band von Mind MGMT umfasst, ganz anders. Weder einfach noch stringent. Stattdessen präsentiert er einmal mehr ein komplexes, hermetisches Ganzes, in das wir konzentriert eintauchen müssen, um alle Facetten zu erfassen und zu verstehen.
Unsere Hauptdarstellerin ist wie immer Meru Marlow, der bekanntlich von Henry Lyme übel mitgespielt wurde, die ihre Geschicke aber inzwischen selbst in die Hand nimmt. Ihre Gegenspielerin ist der Radierer, Julianne Verve, heimliche wie mächtige Drahtzieherin im früheren Mind Management und Ex-Frau des Science Fiction Schriftstellers P. K. Verve (der an Philip K. Dick angelehnt ist). Der Radierer rekrutiert erfolgreich immer mehr Ex-Agenten, während die kleine Schar um Meru immer mehr ins Hintertreffen gerät. Dennoch gibt Meru nicht auf, findet den ersten Unsterblichen und tut sich wieder mit Lyme zusammen, mit dem Ziel, das neue Hauptquartier im chinesischen Guangzhou anzugreifen (anfangs verortet Kindt das Hauptquartier nach Hongkong – ob mit Absicht oder aus Versehen bleibt sein Geheimnis).
Der angestrebten Komplexität dienlich sind dabei neben originellen Ideen, beispielsweise die Agenten und deren Fähigkeiten, wieder diverse visuelle und erzählerische Stilmittel, die Matt Kindt taktisch geschickt einsetzt und die wir aus den beiden Vorbänden bereits kennen. Da sind einmal mehr wieder die Anmerkungen am Seitenrand aus dem Mind MGMT Feldführer, die direkt oder indirekt mit der Story korrelieren und die hier schließlich mit dem Geschehen interagieren, indem sie mit ihm auch verschmelzen. Dann gibt es wieder zu Beginn der Kapitel die Rubrik „Höhere Ebene“, eine Seite, auf der ehemalige Agenten und deren Fähigkeiten vorgestellt werden. Oder die „Mind MGMT Fallakte“ – hier erfahren wir beispielsweise, wer die Neugründung der Organisation finanziell unterstützt.
Weitere faszinierende Details: Salvador Dali spielt tatsächlich eine Nebenrolle (im Rahmen eines Films namens „Triple Indemnity“, was natürlich an Billy Wilders Noir-Klassiker „Double Indemnity“ erinnern soll). Nebenbei wird erklärt, wie er zu der Idee mit den zerfließenden Uhren kam. Und die Episode, die die „Origin“ des Radierers erzählt, ist in Gänze designt wie ein Science Fiction Comic oder Film aus dem Fünfziger Jahren. Dazu kommt das ständige Spiel zwischen Realität und Fiktion, das seinen Höhepunkt in dem Finale erfährt, in dem neuen Hauptquartier des Mind MGMT, das aussieht wie eine umgekehrte Version der Stufenpyramide von Sakkara. Das Finale arbeitet dann auch mit Superhelden-Anklängen. Was für eine Tour de Force, die auch mit diesem Band wieder auf 444 Exemplare limitiert ist. (bw)
MIND MGMT, Band 3: Der Radierer und die Unsterblichen
Text & Bilder: Matt Kindt
344 Seiten in Farbe, Hardcover
Skinless Crow
49,90 Euro
ISBN: 978-3-03963-032-5
