Mitten hinein in das Lesevergnügen dieses Bandes platzte vor einigen Tagen die traurige Nachricht über den Tod von André Juillard, der am 31. Juli im Alter von 76 Jahren verstorben ist. Juillard zeichnete seit Mitte der Siebziger Jahre Comics, sein Durchbruch feierte er mit der Historien-Reihe „Die 7 Leben des Falken“, die er ab 1983 gemeinsam mit Autor Patrick Cothias gestaltete und die bei uns erstmals im Carlsen Verlag erschien. Später schrieb und zeichnete er auch in der Gegenwart angesiedelte Einzelbände, wie das mehrfach preisgekrönte „Blaue Tagebuch“ oder die drei Lena Alben, die nach Scripts von Pierre Christin entstanden. Dann kam noch seine langjährige Arbeit an dem Klassiker „Blake und Mortimer“ dazu, hier schuf er bis heute sechs Alben, ein siebtes mit dem Titel „Signé Olrik“, erscheint in Frankreich im Oktober.
Dass dieser Band 2 des dritten Zyklus‘ das letzte Falken-Album aus der Feder von André Juillard sein wird, war hingegen schon länger klar. Er hatte den Zeichenstift an den Serben Milan Jovanovic (u.a. „Carthago“ bei Splitter) weitergegeben, der inzwischen auch – natürlich wieder unter der Regie von Patrick Cothias – einen dritten Band des Zyklus‘ veröffentlicht hat. Juillard selbst widmete sich stattdessen einem neuen „Blake und Mortimer“ Band, der nun seine letzte Arbeit sein wird. „Signé Olrik“, wieder von Yves Sente geschrieben, wird, um Juillard zu ehren, ab dem 7. September in „Le Télégramme“ exklusiv vorab veröffentlicht, einer Tageszeitung aus der Bretagne, dort wo er auch zuletzt lebte. Ich hatte das Vergnügen, André Juillard zweimal zu treffen. Beide Male ist er mir als freundlicher und zuvorkommender Mensch in Erinnerung geblieben.
In seinem letzten Falken Band, der im Mai 1642 einsetzt, steht einmal mehr die Vergangenheit der Baronin Ariane von Troil im Mittelpunkt. Wurde im ersten Teil ihre Tochter Ninon gesucht und gefunden (die freilich noch immer nicht weiß, wer ihre wahren Eltern sind), gilt es nun, das Schicksal ihres Sohnes zu klären, dessen Vater pikanterweise König Louis XIII. ist. Hierzu bietet sich unverhofft eine Gelegenheit, die ihr ausgerechnet der Bruder des Königs, der Herzog von Orléans, unterbreitet. Denn der weiß, wer damals veranlasste, Ariane das Kind direkt nach der Geburt wegzunehmen. Und er weiß auch, wo das Kind, heute ein junger Mann, sich befindet. Doch dazu muss Ariane gemeinsam mit Beau in den Süden nach Narbonne reisen, um Louis und den mächtigen Kardinal Richelieu aufzusuchen, während sich Arianes Vater Gabriel nach Köln auf Spurensuche begibt, wo die Königin Mutter im Exil lebt…
Cothias platziert seine Handlung und damit Ariane und ihre Familie wieder äußerst raffiniert inmitten historischer Begebenheiten und Personen, wobei Juillard seine Bilder wieder mit größter Akkuratesse zeichnet, präzise, klar und voller Details, wie der sich gerade im Bau befindliche Kölner Dom. König Louis zieht gegen Spanien in den Krieg, Nebenfiguren wie die Kurtisane Marion Delorme oder der Marquis de Cinq-Mars (dessen Rolle in der Story immer wichtiger werden wird) sind historische Personen. Dazu kommen die üblichen Hofintrigen, Verschwörungen und geheimen Vereinbarungen. Und zwischendrin eine Ariane, die nicht locker lässt, die den König eisern um Hilfe bittet (er weiß nicht, dass er mit ihr einen Sohn hat). Daneben bewährt sich Beau, der wie immer unterschätzt wird, in der nicht ungefährlichen Gesellschaft von Richelieu.
Die Geschichte lässt sich Zeit, springt abwechselnd zu Ariane, Beau oder Gabriel. Und auch der nasenlose Vicomte de Roquefeuille bekommt noch einmal einen letzten (allerdings nicht wirklich nötigen) Auftritt spendiert. Wie in den Vorbänden spielt die ursprüngliche Figur des Roten Falken (im Original übrigens ein Sperber), erst von Gabriel, dann von Ariane verkörpert, keine Rolle mehr. Dementsprechend sind auch die geheimnisvoll mystischen Elemente zurückgefahren, was die Handlung aber dabei nicht weniger faszinierend macht. Und was natürlich den betörenden Zeichnungen und Farben Juillards zu verdanken ist, der hiermit seinen Figuren adieu sagt. Wie wir ihm. (bw)
Die 7 Leben des Falken, dritter Zyklus, Band 2: …was für eine Welt
Text & Story: Patrick Cothias
Bilder: André Juillard
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
17 Euro
ISBN: 978-3-98721-301-4