Trotz seines Nachnamens ist Arno Firenze ein Venezianer. Dort in der Lagunenstadt verdient er seinen Lebensunterhalt als Musiker. Als sich 1797 General Napoleon Bonaparte als Eroberer in Venedig feiern lässt, treffen die beiden zum ersten Mal aufeinander. Arno soll für den General musizieren. Doch nicht alle Venezianer sind von den neuen Herren begeistert. Ein Geheimbund, dessen Erkennungszeichen ein rotes Pik ist, welches die Mitglieder meist auf der Haut tätowiert tragen, plant einen Anschlag auf Bonaparte. Aber Arno riecht – im wahrsten Sinne des Wortes – Lunte. Das Attentat schlägt fehl, Arno wird zum Lebensretter Napoleons. Und gerät deshalb selbst ins Visier des Geheimbundes. Aber auch der Musiker ergreift die Initiative und entlarvt Corvacchio, den Henker des Dogen, als einen Kopf der Verschwörer. Der Auftakt eines Katz- und Maus-Spiels, denn beide Seiten versuchen sich gegenseitig zur Strecke zu bringen…
Einige Monate später: 1798 startet Napoleon mit 200 Schiffen seinen Ägyptenfeldzug. Arno ist mit von der Partie. Denn seit das Rote Pik auch in den eigenen Reihen immer wieder auftaucht, will ihn Napoleon – inzwischen duzt man sich – an seiner Seite haben. Im Land der Pharaonen werden die Franzosen jedoch nicht willkommen geheißen und als Besatzer angesehen. Neben den Kämpfen gegen die Mamelucken kommt es immer wieder zu Aufständen und Konflikten mit den Einheimischen. Wieder kann Arno seinen General in gefährlichen Situationen beschützen (ein Doppelgänger des Roten Piks soll Bonaparte ersetzen) und lernt den mysteriösen Krieger Djer kennen, der sich als Djeila entpuppt, Tochter eines Scheichs. Natürlich verlieben sich die beiden ineinander. Doch ihr Glück wird nur von kurzer Dauer sein, denn erstmals tritt Lord Douglas Month auf den Plan, ein englischer Adeliger, der in geheimer Mission das Schicksal Djeilas besiegeln wird…
Von Rache getrieben verfolgt Arno den schurkischen Lord Month. Doch der dreht den Spieß um und schnappt sich den Venezianer, der wiederum nur knapp mit dem Leben davon kommt. Inzwischen ist Lord Month wieder in Südengland und terrorisiert die Bediensteten auf seinem Landsitz in üblicher Art und Weise. Doch Arno ist ihn auf den Fersen und plant seine Rache akribisch. Mit Hilfe von diversen Preziosen, die ihn seine ägyptischen Freunde überließen, kann er ein herrschaftliches Anwesen kaufen und wird so Nachbar von Lord Month. Mit verändertem Aussehen (Bart und gefärbte Haare) kommt es zu ersten Begegnungen mit dem niederträchtigen und stets misstrauischen Lord, ehe die Situation eskaliert, jedoch anders als von Arno gedacht…
Die drei Einzel-Alben der Serie, „Das Rote Pik“, „Das Auge des Cheops“ und „Lord Douglas Month“ erschienen 1987 und 1988 bei Comicplus (man holte damals Juillard auch zum Comic-Salon nach Erlangen). Jetzt legt der Verlag die Reihe im Rahmen einer einbändigen Gesamtausgabe neu auf. André Juillard begann „Arno“ 1983, als er bereits an seinem Hauptwerk „Die 7 Leben des Falken“ arbeitete, beide Serien erschienen also parallel – damals waren Historien-Comics groß in Mode, es gab sogar mit Vécu ein Magazin, das sich ganz dem Genre widmete (auch Hermanns „Die Türme von Bos-Maury“ wurde dort veröffentlicht). Aufgrund des Erfolgs seines Falken-Epos, das gemeinsam mit Szenarist Patrick Cothias entstand, gab er nach diesen drei Alben die Arbeit an „Arno“ auf. Die Reihe wurde daraufhin von Zeichner Jacques Denoël fortgeführt (nochmal drei Bände), jedoch mit mäßigem Erfolg. Die Alben erschienen folglich nicht auf Deutsch und wurden auch in Frankreich nicht mehr aufgelegt.
Autor Jacques Martin (1921-2010) war schon zum Erscheinen Arnos ein alter Hase im Comic-Geschäft. Als ehemaliger Mitarbeiter Hergés wurde er v.a. bekannt durch seine Historien-Serie „Alix“, die er im Stil der Ligne claire auch zeichnete (siehe die aktuelle Gesamtausgabe in der Egmont Comic Collection). „Arno“ legte er als klassischen Abenteuer-Comic an, linear erzählt, mit abgeschlossenen Storys, die durch einen roten Faden in Form des Piks verbunden sind. Der Geheimbund ist dann auch das zentrale Thema der ersten Episode. Arno versucht wieder und wieder vergebens, Corvacchio zur Strecke zu bringen, dem stets die Flucht gelingt und der seinerseits Napoleon und Arno nach dem Leben trachtet. Ständig taucht irgendwo das Rote Pik auf, nirgendwo scheint man von den Verschwörern sicher. Im zweiten Band ist die imposante Kulisse des alten Ägypten der heimliche Hauptdarsteller. Weite Teile der Handlung spielen in Pyramiden und in Tempelruinen, die akribisch und detailvoll von Juillard in Szene gesetzt werden. Obwohl noch aktiv, tritt das Rote Pik in den Hintergrund, zugunsten der Faszination des geheimnisvollen Ägyptens (tatsächlich gilt der mäßig erfolgreiche Ägyptenfeldzug als Wiege der modernen Ägyptologie).
Band 3, der letzte von Juillard gezeichnete, widmet sich dann ganz Arnos persönlichem Rachefeldzug, der anfangs unter keinem guten Stern zu stehen scheint. Erst tröstet er sich schnell mit der Ägypterin Tara, die später sein Leben retten wird. Dann folgt er Lord Month nach England. Inzwischen äußerst vermögend, plant Arno ganz im Stile eines Edmond Dantès von langer Hand seine Rache an dem Schurken, die dann aber ganz anders verläuft… Über die Vergangenheit Arnos erfahren wir nichts. Er scheint Berufsmusiker zu sein, mutig, tatkräftig, lässt sich aber gerne auch von den schönen Dingen des Lebens – sprich Frauen – von seinen Plänen ablenken und steht sich dann selbst im Weg, bzw. bugsiert sich zielsicher in Schwierigkeiten. Ähnlich wie Corvacchio präsentiert sich Lord Month als eindimensional konstruierter Erzbösewicht, der natürlich sein Fett abkriegen muss. Die Gesamtausgabe lebt von den realistischen und verblüffend genauen Zeichnungen Juillards und ist daher trotz einiger Schwächen in der Story für Freunde gepflegter franko-belgischer Comic-Kultur ein Muss. Ein ausführlicher Sekundärpart (u.a. Autorenportraits, geschichtliche Infos) beendet den Band. (bw)
Arno Gesamtausgabe
Text: Jacques Martin
Bilder: André Juillard
176 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Sackmann und Hörndl
39 Euro
ISBN: 978-3-89474-308-6