Zehntausend schwarze Federn (Splitter)

November 2, 2023
Zehntausend schwarze Federn (Splitter Verlag; von Jeff Lemire & Andrea Sorrentino

Trish und Jackie sind zwei Teenager mit einem gemeinsamen Hobby: sie lieben Fantasy- und Horror-Geschichten. Gemeinsam beschließen sie, eine neue Fantasy Welt zu entwerfen und Storys zu schreiben, die in darin spielen. Machen sie sich anfangs mit Eifer ans Werk – wobei v.a. Jackie eine erstaunlich blühende Fantasie entwickelt – entfremden sich die beiden Mädchen zusehends, bis die Freundschaft zu zerbrechen droht. Jahre später: Trish, inzwischen eine leidlich erfolgreiche Fantasy-Autorin, besucht ihre alte Heimat und Jackies Mutter Terri. Wir erfahren, dass die 17-jährige Jackie nach einem Streit mit Trish vor zehn Jahren spurlos verschwunden ist. Man nimmt an sie sei entführt und ermordet worden. Wofür es jedoch keine Anhaltspunkte gibt. Und ganz langsam, aber sicher und stetig, wird Trish von dem Fall eingeholt. Kann es denn sein, dass Jackie noch am Leben ist?

„Zehntausend schwarze Federn“ ist nach „Die Passage“ der zweite Beitrag von Jeff Lemire und Andrea Sorrentino zu ihrem „Bone Orchard Mythos“, der im Splitter Verlag erscheint. Darunter verstehen die beiden eine wie bei Trish und Jackie ebenfalls eigenständige Fantasy-Welt, in der ihre Geschichten – Miniserien, wie Graphic Novels – spielen. Geschichten, die zwar jeweils abgeschlossen aber dennoch irgendwie miteinander verknüpft sind und die unabhängig voneinander ohne eine bestimmte Reihenfolge gelesen werden können. Hier in diesem Band dauert es eine Weile, bis die Handlung Form annimmt, bis wir erfahren, wie es Trish und Jackie ergangen ist und wir die verstörenden Elemente, die gleich zu Beginn auftauchen, zumindest halbwegs einordnen können. Sprich: bis wir wissen, dass Jackie damals spurlos verschwunden ist, unter bis heute völlig ungeklärten Umständen.

Andrea Sorrentino arbeitet hier mit zwei verschiedenen Zeichenstilen. Während die Rückblenden – wo wir sehen, wie sich die beiden jungen Damen kennenlernen, sich gleich anfreunden und sich begeistert ans Fantasy-Werk machen – in einem klaren, konventionelleren Strich gehalten sind, zeigt Sorrentino die Gegenwart in seinem typischen, kantig-zackigen, mit viel Schwarz durchsetztem Stil. Der Clou dabei: später findet man in den Panels BEIDE Zeichenstile! Diese originelle Idee ist Teil der Symbolik des Bandes (siehe Titel), die teilweise deutbar ist und dennoch Platz für Interpretationen lässt, zumal sich vielleicht auch Realitäten und Fantasie/Fantasy vermischen, bis es schließlich zu einem apokalyptischen Finale kommt.

Fest steht: die Story ist abgeschlossen, wobei man über deren inhaltliche Substanz und Umfang streiten könnte, würden diese Streitpunkte nicht von Sorrentinos Zeichenkunst sogleich weggewischt. Der Italiener arbeitet hier wieder weniger experimentell (als beispielsweise bei „Primordial“ oder „Gideon Falls“) mit seinen außergewöhnlichen Panel-Kompositionen, beweist jedoch einmal mehr, dass er die Fantasien und den Horror von Jeff Lemire kongenial und beängstigend gut umzusetzen weiß. Am Schluss des Bandes gibt es noch eine Galerie mit Variant-Covern der ursprünglich fünfteiligen Miniserie, u.a. von Dustin Nguyen, der ja bekanntlich ein weiterer Zeichen-Spezi von Lemire ist. (bw)

Zehntausend schwarze Federn
Text & Story: Jeff Lemire
Bilder: Andrea Sorrentino, Dave Stewart (Farben)
168 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
29,80 Euro

ISBN: 978-3-98721-154-6

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