Gegen Ende des letzten Bandes überschlugen sich die Ereignisse: Nachdem Meg zum Baum wurde, irgendwo im Nirgendwo, dauerte es nicht lange, ehe die „Arboristen“ auftauchten, jene mysteriöse Gruppe, die unbedingt verhindern will, dass die von der „Baumkrankheit“ Befallenen sprichwörtlich Wurzeln schlagen. Grandpa Judd führte mit den Unholden sein letztes Gefecht, dann tauchte die Polizei mit schwerem Gerät auf und als Baum-Meg ihre Samen verbreitete, war das Chaos perfekt.
Nun, im abschließenden Band, spielt die Handlung in erster Linie fünf Jahre später, in einer Zukunft, die in den ersten beiden Ausgaben bereits angeteasert wurde. Die Welt ist Dank Meg eine andere und wird nur noch von wenigen Menschen bevölkert. Wobei der Konflikt, dessen Parteien und dessen Protagonisten gleich geblieben ist: Noch immer versuchen die Arboristen, die Baum-Meg zu finden und zu „töten/fällen“ und noch immer wird diese von ihrem Bruder Josh und ihrer Mutter Loretta, die inzwischen militaristisch massiv aufgerüstet haben, beschützt und verteidigt.
Die massive, wie auch atemlose Action, die den letzten Band beschloss, setzt sich hier nahtlos fort. Der Konflikt und dessen Kämpfe stehen immer wieder im Mittelpunkt und eskalieren weiter, wobei die Fragen nach dem Warum und diverse Erklärungen auf der Strecke bleiben oder nur teilweise angedeutet werden und damit Interpretations- und Spekulation-Spielraum bieten. Wie das paradiesische Baum-Jenseits, von wo Opa Judd (der heimliche Star der Reihe) oder Vater Darcy mit den noch überlebenden Familienmitgliedern mittels Holzhand (!) kommunizieren können.
Am Ende bleibt die Frage offen, ob sich die Welt mit den Geschehnissen selbst heilt und damit einen neuen Anfang für die Menschheit „vorschlägt“, oder ob der alte Status Quo – falls überhaupt möglich – wieder hergestellt werden kann. Was wiederum die Frage aufwirft, ob die noch immer aktiven Arboristen nur noch aus Prinzip für ihre Prinzipien einstehen, indem sie Meg als ersten Menschenbaum als Zünglein an der Waage sehen und damit schon beinahe idealisieren… Sei‘s drum. Action ist Trumpf, die Grundidee für eine neue Welt (mal ohne Zombies) ist und bleibt originell und die unerwartete Bruce Willis-Einlage macht Laune.
Das geschlossene Gesamtbild, dass die Reihe, ganz Lemire-typisch, liefert, ist natürlich auch den ungewöhnlichen, bekannt-kantigen Zeichnungen von Phil Hester zu verdanken, der die Serie prägt und dessen Panels eine gewisse wilde Abstraktheit und Rohheit transportieren, was den furiosen Action-Sequenzen zugutekommt. Als Bonus verfolgen wir den Werdegang eines Heftcovers vom Entwurf über die Bleistiftzeichnung von Phil Hester bis zur von Eric Gapstur getuschten Version, die anschließend noch koloriert wird. (bw)
Family Tree, Band 3: Wald
Text: Jeff Lemire
Bilder: Phil Hester, Eric Gapstur, Ryan Cody
104 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-042-0