Jetzt aber – und endlich: Das Finale. Das überlange Abschlussheft der Reihe (mit der Nr. 27) – 80 Seiten, die es in sich haben. Inhaltlich, aber vor allem optisch. Einmal mehr. Nach der Zerstörung der Schwarzen Scheune rüsten sich die Protagonisten um Norton/Danny, Pater Wilfred, Clara Miller und Dr. Angela Xu zum letzten Kampf gegen den lächelnden Mann und damit gegen das Böse, das sich in die Welt Bahn zu brechen droht. In DIE Welt? In unzählige Welten, alles Varianten von Gideon Falls, die meisten davon ohnehin dystopisch. Multiversum nennt man das gerne im Comic, ein Phänomen, das man bei Marvel und DC über einen langen Zeitraum entwickelte, wo es immer wieder gerne zahllose Alternativ-Erden und damit -Realitäten gibt – siehe die aktuelle Phase des MCU. Autor Jeff Lemire schafft sich sein Multiversum binnen einer Serie in vergleichsweise wenigen Ausgaben. Es ist apokalyptisch, Angst einflößend, bedrohlich. Aber nur, weil Andrea Sorrentino der Zeichner ist.
Dass es hier um eine Art Endkampf geht, ist offensichtlich, und die größten Geheimnisse rund um Gideon Falls sind inzwischen gelüftet, die Konstellationen sind klar. Daher wollen wir nicht groß auf die Story eingehen, was auch unweigerlich spoilern würde. Wie die meisten Reihen von Autor Jeff Lemire wurde auch Gideon Falls mit Andrea Sorrentino von einem einzelnen Zeichner geprägt, der alle Bände/Hefte gestaltete. Schon von Anfang an schuf der Italiener spektakuläre wie originelle Bilder und Panel-Sequenzen, um die anfangs noch zwei Welten zu visualisieren und vor allem deren Interaktionen untereinander. Später als sich die Story immer mehr ausbreitete, zeigte Sorrentino dies in fließenden Collagen, die auch gerne an die Cover von Dave McKean erinnerten (in Band 5) und die die Möglichkeiten und Einzigartigkeit des Mediums voll ausnutzten und dabei beinahe sprengten. So auch in diesem letzten Band, fast eine einzige, actiongeladene Tour de Force, in der sich die Ereignisse noch einmal gehörig überschlagen.
Der Band beginnt mit einem kleinen schwarzen Punkt und auch das „weiß“ Sorrentino später noch zu toppen. Als Dreingabe ist das komplette Skript des Bandes von Jeff Lemire abgedruckt. Und das zeigt eindrucksvoll, wie sehr Sorrentino die Reihe mit seinem visuellen Stil und seinen Einfällen prägte. So entsteht beispielsweise aus Lemires vertrauensvoller Anweisung „Mach hier einfach jeden seltsamen Kram, auf den Du Lust hast“ eine surreale Doppelseite (eine von vielen), in der die Story ihre eigenen Panels aufzusaugen scheint. Später muss der Leser den Band tatsächlich drehen, um weiterzulesen zu können – nur zwei von vielen originellen Stilmitteln, mit denen der Leser hier überhäuft wird. Das Ende ist stimmig wie spektakulär und wer weiß schon, ob Lemire damit seinem Gideon Falls Multiversum endgültig Adieu sagt. Ebenfalls im Anhang veranschaulichen einige Schaubilder, Diagramme und Entwürfe die komplexen „inneren Zusammenhänge“ von Gideon Falls. Wie Band 5 erscheint auch das Finale nicht als Vorzugsausgabe, was zu verschmerzen ist. (bw)
Gideon Falls, Band 6: Das Ende
Text: Jeff Lemire
Bilder: Andrea Sorrentino, Steve Wands (Design),
Dave Stewart (Farben)
112 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro
ISBN: 978-3-96792-197-7