Erstaunlich lange geht das schon gut: David Salomon, den alle nur Soda nennen, spielt zuhause für seine Mutter Mary den braven Priester. Aber sein wahrer Beruf, den er im New York der Achtziger Jahre nachgeht, ist Polizist. Was seine Mutter aus Rücksicht auf ihre Gesundheit natürlich niemals erfahren darf. Schon längst trägt Lieutenant Soda seine Priester-Montur auch bei der Arbeit – seine Polizei-Kollegen, darunter Corporal Linda Tschaikowski, wissen längst Bescheid. Jetzt werden die beiden zu einem neuen Tatort gerufen. Das Opfer, das den Mordversuch überlebt hat, ist eine Prostituierte, der der Täter ein Kalenderblatt an den Kopf tackerte. Es ist bereits der dritte derartige Fall, weshalb Soda befürchtet, dass ein Serienkiller umgeht. Noch wilder wird es, als das Opfer Soda, bzw. einen Mann in Priesterkleidung, als vermeintlichen Täter identifiziert. Was bald öffentlich wird und eine regelrechte Hatz auf Priester zur Folge hat… Inzwischen plagen Soda eigene Probleme. Er hat auffällige Erinnerungslücken. Kann es sein, dass er mehr mit dem Fall zu tun hat, als ihm selbst bewusst ist?
Zwei faustdicke Überraschungen: „Soda“ ist nach über sechs Jahren Pause und dem frühen Tod von Stamm- und Spirou-Autor Tome wieder da, mit seinem inzwischen vierzehnten Fall. Und: der erscheint nicht bei Salleck, wo die Serie seit etlichen Jahren beheimatet war, sondern im Piredda Verlag (der auch Gazzottis Serie „Allein“ veröffentlicht). Die Reihe debütierte 1986 im Spirou Magazin, bei uns brachte der Feest Verlag ab 1989 die ersten drei Alben heraus, dann übernahm Salleck und veröffentlichte nach und nach die komplette Serie. Band 1 und 2 (und elf Seiten des dritten) wurde von Luc Warnant gezeichnet, der einen schwungvoll-nervösen, dynamischen Funny-Stil pflegte, dem des späteren Franquin tatsächlich nicht unähnlich. Mit Gazzotti wurden die Zeichnungen „ruhiger“ und damit realistischer. Die Reihe etablierte sich als beliebter Semi-Funny und schien mit dem Tod Tomes beendet. Jetzt führt Autor Olivier Bocquet (bekannt durch „Frnck“ und „Ladies with Guns“ – beides bei Splitter, bzw. toonfish), wieder mit Gazzotti an Bord, die Serie fort, wobei der neue Band auch bei Dupuis keine fortlaufende Nummerierung trägt.
Das Grundmotiv, das sich durch die Serie zieht, ist das berufliche Doppelleben Sodas, das er nur und ausschließlich aus Rücksicht auf seine Mutter inszeniert, auch wenn sie oft kurz davor steht, das Geheimnis zu lüften. So auch hier. Bei seinem neuen Fall muss Soda vermeintlich einen Serienkiller jagen. Doch nach und nach kommt ihm der Fall näher als ihm lieb ist. Schließlich wird er selbst zum Hauptverdächtigen, seine Kollegen wenden sich gegen ihn. Dass das natürlich nicht so ist, ahnt man bald und riecht beim Lesen tatsächlich schnell Lunte, was und wer hinter der ganzen Sache steckt. Dennoch ist die Story gut aufgebaut. Neben dem Stammpersonal treffen wir vermeintliche Nebenfiguren, die später an Bedeutung gewinnen. Und das Mysterium um Sodas Beteiligung an den Verbrechen wird immer mehr vertieft, bis schließlich die Bombe platzt und die Story mit einer kinoreifen Inszenierung in ein actionreiches Finale mündet.
Die Handlung spielt irgendwann in den Achtziger Jahren, kurz vor Halloween (passend zum hiesigen Veröffentlichungszeitpunkt). Das Word Trade Center ist im Bild und Sonys Walkman hat Hochkonjunktur. Gazzotti zeichnet sehr genau und immer wieder verblüffend detailliert – das große Panel mit der Parade gerät so regelrecht zum Achtziger Jahre Wimmelbild. Und der Gag mit dem neuen und äußerst beliebten wie makabren Halloween-Kostüm namens „Blutrünstiger Priester“ (siehe Titel) wird mehrmals aufgegriffen. Olivier Bocquet macht seine Sache als würdiger Nachfolger gut und trifft den Nerv und das Wesen der Serie. Hoffen wir, dass da noch mehr kommt. Der Band erscheint auch in einer auf 100 Exemplare limitierten Vorzugsausgabe mit Variant-Cover (siehe links), die jedoch bereits restlos vergriffen ist. Die noch erhältlichen Salleck Sodas sind übrigens ab sofort auch über den Piradda Verlag zu beziehen. (bw)
Soda: der blutrünstige Priester
Text & Story: Olivier Bocquet
Bilder: Bruno Gazzotti
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Piredda Verlag
17,50 Euro
ISBN: 978-3-949968-02-0
