Herbst an der Bucht der Somme (Splitter)

Juni 21, 2023
Herbst an der Bucht der Somme (Splitter Verlag)

Frankreich, in der Belle Époche, an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. In der Bucht der Somme ist ein Schoner gestrandet. Darauf ein Toter. Nicht irgendeiner. Bei der Leiche handelt es sich um den reichen Industriellen Alexandre de Breucq, der offenbar vergiftet wurde und qualvoll starb. Inspektor Amaury Broyan, einer der Besten seines Fachs, wird mit den Ermittlungen betraut. In deren Fokus gerät schnell die Witwe des Toten, Marthe de Breucq, nun Alleinerbin der Firma ihres Mannes. Und noch eine Spur, wenngleich rätselhaft, verfolgt Broyan: die Zahl 266, die von de Breucq mit seinem eigenen Blut an die Kabinentür geschrieben wurde. Was bedeutet sie? Und was verbirgt Marthe de Breucq? Dank seiner Hartnäckigkeit kann Broyan langsam Licht in den mysteriösen Fall bringen, bei dem die Dinge dann doch ganz anders liegen als vermutet…

Autor Philippe Pelaez („Parallel“, ebenfalls bei Splitter) und Zeichner Alexis Chabert („Bourbon Street“ bei Ehapa) kredenzen uns hier einen lupenreinen Krimi vor der prächtigen Jugendstil-Kulisse des Fin de Siècle. Ihr Polizist, der Pariser Inspektor Amaury Broyan, zeigt dabei Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen – trotz diverser Anfeindungen und Herablassungen der vermeintlich „feinen Gesellschaft“ – und will daneben noch in eigener Sache den tragischen Tod seiner Tochter klären. Dennoch sind seine Auftritte nicht dominant und dienen immer dem Vorankommen der Story. Wobei sich Broyan als unerschrockener Kombinierer zeigt, der sich von Standesdünkel nicht beeindrucken lässt.

So blicken wir auch auf die soziale Lage des Paris‘ der Jahrhundertwende: Die frühe Industrialisierung und daraus folgend den neureichen Geldadel, wir streifen das Leben der Boheme in rauchgeschwängerten Kneipen und begegnen armen und armseligen Künstlern, wie auch Anarchisten im Armenviertel, das damals noch auf dem Montmartre existiert, wo die Basilika Sacré-Coeur noch immer im Bau ist. Als historische Figur tritt der Maler und Plakatkünstler Alfons Mucha auf, der sich ganz dem Jugendstil verschrieben hatte. Auch die mit zarten Farben direkt kolorierten Zeichnungen von Alexis Chabert huldigen dieser Kunstrichtung, mit entsprechender dekorativer Ornamentik und schlanken, hochaufgeschlossenen wie fest verschnürten Frauenfiguren, die trotz beeindruckend langer, wellender Haarpracht jedoch weit mehr als nur Dekoration sind.

Als Leserin und Leser wissen wir nie mehr als der Inspektor – gemeinsam mit ihm klären wir quasi den Fall auf, der natürlich von diversen Wendungen und Überraschungen durchzogen ist. Auch das Mordopfer, der vermeintliche Philanthrop, wird noch in einem ganz anderen Licht erscheinen. Die Auflösung des kniffligen Falles – das sei noch gesagt ohne zu viel zu verraten – ist absolut schlüssig und der Titel des Albums ist extrem clever gewählt und bekommt nach der Lektüre eine völlig neue, wie überraschende Bedeutung. Am Ende schildert Zeichner Alexis Chabert seine Gedanken zur Entstehung des Bandes, und diverse Skizzen und Figurenentwürfe runden das Album schließlich ab. (bw)

Herbst an der Bucht der Somme
Text & Story: Philippe Pelaez
Bilder: Alexis Chabert
72 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
19,80 Euro

ISBN: 978-3-98721-099-0

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