Das Buchmaultier von Córdoba (Splitter)

März 20, 2023
Das Buchmaultier von Córdoba (Splitter Verlag)

Córdoba, Hauptstadt des gleichnamigen Kalifats auf der iberischen Halbinsel (also nicht das, wo sich die berühmte Schmach ereignete). Wir schreiben das Jahr 976. Erschreckendes kündigt sich an, mit dem sich der Bibliothekar Tarid nicht abfinden will: Die Bibliothek, nach der in Bagdad die zweitgrößte der Welt, soll zerstört werden. Oder besser: Deren Inhalt. Denn der Wesir Mohammed Amir, der den gerade einmal elfjährigen Kalifen „vertritt“, plant aus den üblichen Gründen (also Machtgier und religiöser Wahn) eine gigantische Bücherverbrennung. Nun, da Eile geboten ist, schickt sich Tarid an, mit Hilfe der Kopistin Lubna so viele wertvolle Exemplare wie möglich vor der Vernichtung zu bewahren, sprich, diese zu stehlen. Aber wie abtransportieren? Da kommt den beiden der Zufall zur Hilfe: denn just als der Büchercoup startet, taucht Marwan auf, ein Ex-Schüler von Tarid, samt seinem Maultier, dem „lausigsten seit Menschengedenken“. Dennoch benutzen es Tarid und Lubna als Buch-Transporter, womit eine abenteuerliche Flucht beginnt…

Die äußeren Umstände – auch wenn sie völlig verschieden sind – führen das ungleiche Trio zusammen. Da ist einmal der belesene und füllige Tarid, dem ob des sich abzeichnenden Dramas das Herz blutet, der aber dennoch die Ungnade seines Herrschers riskiert und so viele wertvolle Bücher wie nur möglich stiehlt und damit vor dem Feuer bewahrt. Dann die ehemalige Sklavin und Kopistin Lubna, die sich zu Tarids Komplizin macht, schnell auffliegt und daher ebenfalls fliehen muss. Und natürlich der bauernschlaue und eher semi-ehrliche aber pragmatische Marwan, der einst den rechten Pfad verließ und sich fortan als Dieb durchschlug. Und der der einzige ist, der die harte Welt „da draußen“ kennt, saßen Tarid und Lubna doch aufgrund ihrer Profession und Bildung eher in einem privilegierten, goldenen Käfig. Und das namensgebende Maultier? Das ist der heimliche, wie sture Star der Geschichte, der die Aktion überhaupt möglich macht. Die genervten bis gleichgültigen Blicke des Maultiers, das sich seiner Schlüsselrolle so gar nicht bewusst ist, garantieren immer wieder Schmunzler beim Lesen.

Überhaupt ist der Humor, der Leser und Leserinnen dargeboten wird, exquisit und kommt nicht brachial daher, sondern eher fein und subtil, gewürzt mit einer angemessenen Prise Ironie, manchmal auch situationsbedingt. Die Flucht, die das Trio ergreifen muss (man will die Bücher Richtung Norden in Sicherheit bringen) ist denkbar schlecht vorbereitet und scheint von vorneweg zum Scheitern verurteilt. Tarid, keine körperlichen Anstrengungen gewohnt, ist mit Pantoffeln unterwegs, das Maultier überladen und auch Marwans Einfälle zünden nicht. Und man muss Hungern. Doch Tarid ist fest entschlossen aller Unbill und aller Widrigkeiten, die sich im Laufe der ungewöhnlichen Reise auftürmen, zum Trotz, die wertvollen Folianten und damit auch unschätzbares Wissen für die Nachwelt zu retten.

Auch in der damaligen arabischen Welt, die bekanntlich in Form des Kalifats von Córdoba auf der iberischen Halbinsel in Europa präsent war und die als wesentlich fortschrittlicher und zivilisierter als die Westliche galt, gab es noch keinen Buchdruck. Die Bücher mussten mit großem Aufwand händisch kopiert, also abgeschrieben werden und waren damals somit ein überaus kostbarer und seltener Besitz – viel mehr als heute bzw. vor Gutenbergs Erfindung. Dass ein skrupelloser Fanatiker, getrieben von religiösen Fundamentalisten und von diffusen Macht- und Eroberungsfantasien zerfressen, die Herrschaft an sich reißt und dazu Bücher verbrennen lässt, um die „einzige Wahrheit“ zu verbreiten und gelten zu lassen, kennen wir auch nur zu gut. Und glücklicherweise ist auch klar, dass der Erfolg solcher Aktionen meist überschaubar ist. Denn am Ende bahnt sich das Wissen immer seinen Weg.

Mehrfach steht die halsbrecherische Mission vor dem Aus, doch man gibt nicht auf (auch wenn manche Bücher aus Gründen immer „weniger“ werden und somit Schwund zu verzeichnen ist), ist trotz der grundverschiedenen Charaktere des Trios und deren unterschiedlichen Herkunft (die in Rückblenden geschildert wird) füreinander da. Am Ende steht eine faustdicke Überraschung, ein gelungener Twist. Die Geschichte der Flucht ist wunderbar erzählt, voller unterschiedlicher Episoden, mal witzig, mal dramatisch. Mit leichter aber versierter, ja virtuoser Hand von dem „Alten Knacker“ Autor Wilfrid Lupano geschrieben. Der Zeichenstil von Léonard Chemineau spielt mit diversen Variationen. So werden Begebenheiten in Rückblenden mal skizzen- und funnyhaft oder in Form von Alpträumen dargestellt. Dazu gesellen sich immer wieder filmisch inszenierte Sequenzen, die ohne Worte auskommen und die Bilder wirken lassen. Wunderbar. (bw)

Das Buchmaultier von Córdoba
Text & Story: Wilfrid Lupano
Bilder: Léonard Chemineau
264 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
39,80 Euro

ISBN: 978-3-96792-396-4

Tags: , , , , ,

Comments are closed.