Eigentlich ist alles gut: Ein Dach über dem Kopf, angenehme Gesellschaft und nachmittags die Lieblings-Daily Soap im Fernsehen. Vadim Koczinsky, ehemaliger Fremdenlegionär, betagt, aber dennoch ein rüstiger Rentner, verbringt in einem Seniorenheim in Nizza seinen friedlichen Lebensabend. Einen Teil der Rente spart er für seinen Enkel Sasha, ansonsten ist er zufrieden, trotz der ihn plagenden Arthritis. Bis sich alles schlagartig ändert, als er von einem windigen Finanzberater böse übers Ohr gehauen wird und all sein Geld verliert. Mit einem Male sitzt Vadim auf der Straße, nur die Sozialarbeiterin Stéphanie Mayer kümmert sich um ihn. Um seine Ansprüche gegenüber dem flüchtigen Finanzhai geltend machen zu können, muss Vadim einen festen Wohnsitz vorweisen können. Und dafür braucht er Geld. Nachdem Vadim bei einem brutalen Überfall in einer Kneipe die drei Schurken konsequent und humorlos ausschaltet, eröffnet sich ihm durch den belgischen Gauner Bart van Coppens unvermittelt ein lukratives Betätigungsfeld.
Fast könnte man sich an andere aktuelle franko-belgische Comics erinnert fühlen, wie „Die alten Knacker“ oder „Antananarivo“ – ist Vadim doch ebenfalls ein leicht verschrobener Senior, der mit der Last seines Alters irgendwie in der modernen Welt, die ihn längst überholt hat, zurecht kommen muss. Doch spätestens bei der Begegnung mit den Gangstern zeigt Vadim ein anderes, ja auch skrupelloses Gesicht und sorgt für eine deftige Action-Sequenz, noch immer gestählt und trainiert durch seinen Jahrzehnte langen Dienst in der Fremdenlegion. So macht es ihm auch nichts aus, den durchaus heiklen Job des Belgiers anzunehmen, der der örtlichen Mafia ein Dorn im Auge geworden ist. Vadim zeigt also nicht unbedingt nur sympathische oder gar liebenswerte Züge, dennoch verfolgt er bei seinem Tun stets ein selbstloses Ziel: Das Wohlergehen seines Enkels Sasha und dessen finanzielle Absicherung. Bittere Ironie: bedingt durch eine einstweilige Verfügung darf Vadim seinen Enkel schon seit Jahren nicht sehen…
Die vermeintlich gradlinige Geschichte um den Senior, der sich allen Widrigkeiten stellt, zeigt viele Facetten: In Rückblenden erfahren wir mehr über Vadim und seine jüngere, tragische Familiengeschichte. Dazwischen stehen immer wieder Action-Szenen, in denen der Senior seine Tauglichkeit und Konsequenz noch immer unter Beweis stellt. Der Unterweltkrieg zwischen dem Belgier und der örtlichen Mafia dient als Hintergrund und mit der bemühten aber leicht naiven Sozialarbeiterin Stéphanie Mayer, der der Kommissar den Hof macht, oder Vadims zwielichtigem Schwiegersohn, sorgen interessante Nebenfiguren für Abwechslung. Dabei kommt auch trockener Humor nicht zu kurz, beispielsweise bei der ersten Begegnung mit dem Belgier oder bei der furiosen wie kuriosen Verfolgungsjagd per Rollstuhl. Und am spannenden wie überraschenden Schluss – das sei verraten – steht ein wirklich fieser Cliffhanger.
Während Autor Gihef (d.i. Jean-François Baudot) bei uns noch weitgehend unbekannt ist, kennt man Zeichner Mogann Tanco durch seine beiden Marcel Pagnol Adaptionen, die im Splitter Verlag erschienen sind („Der Ruhm meines Vaters“ & „Das Schloss meiner Mutter“) und die auch beide im Süden Frankreichs spielen. Sein Strich ist rund und fein, nicht unähnlich dem von Sylvain Vallée – wenn auch realistischer und nicht ganz so stilisiert -, und verleiht den Personen Charakter. Auch die Farben der erfahrenen Koloristin Cerise passen und sind jederzeit stimmig, was beim Cover schon beginnt. Band 2 des Thrillers – und der (vorläufige?) Abschluss – ist in Frankreich bereits erschienen. Wir sind schon jetzt gespannt, wie sich unser mürrischer Action-Opa Vadim darin schlägt. (bw)
Monsieur Vadim, Band 1: Arthrose, Mord & Krustentiere
Text: Gihef
Bilder: Morgann Tanco, Cerise (Farben)
56 Seiten, Hardcover
Bunte Dimensionen
16 Euro
ISBN: 978-3-949144-18-9
