„Wiedersehen in Kathmandu“: Manchmal muss man einfach mal alleine sein, aber irgendwann reicht’s dann doch. Seit drei Wochen harrt Caroline Baldwin, in der Heimat persona non grata, in Nepals Hauptstadt Kathmandu aus und ist durchaus froh, als ihr alter Freund Gary vom FBI auftaucht. Der Koffer mit Medikamenten, den Caroline dringend als Behandlung für ihre HIV-Erkrankung braucht, fällt auf der Reise allerdings der Agentin Peterson in die Hände. Gemeinsam mit ihrer neuen Bekanntschaft Roxane Leduc verfolgt Caroline einen gewissen Tom Cusack, einen ex-US-Botschafter, der sich in Syabru versteckt hält und den sich auch Gary und Agentin Peterson als Ziel ausgesucht haben. Cusack eröffnet den Besucherinnen bereitwillig, dass er der letzte Überlebende einer Gruppe von Wissenschaftlern ist, der ein kleines Bauteil des seinerzeit in der Wüste abgestürzten und in Roswell untersuchten Alien-Ufos besitzt, was die Geheimdienste aller Welt natürlich an sich reißen wollen…
„Unheilsame Therapie“: Ausgestattet mit einer Generalamnestie, lässt sich Caroline in Montreal nieder und nimmt bereitwillig an einer neuartigen Therapie gegen HIV teil. Mit dem Mitpatienten Gilles Cartier scheinen sich zarte Bande anzudeuten, die jäh enden, als Cartier sich (so scheint es zumindest) umbringt. Caroline ist sofort misstrauisch und findet heraus, dass zahlreiche Teilnehmer der innovativen Behandlung unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen sind. In der Wohnung von Cartier findet sie einen leeren Ordner mit dem Firmenlogo „Future Life“, der sie schließlich auf die richtige Fährte bringt: eine gewissenlose Firma kauft gezielt mittellosen Kranken, die dringend Bares benötigen, ihre Lebensversicherung ab – mit einem generösen Abschlag versteht sich, was sich dann auszahlt, wenn der Versicherte das Zeitliche segnet und die Versicherungssumme fällig wird. Da passt es natürlich gar nichts in Geschäftsmodell, wenn eine neue Behandlungsmethode gut anschlägt und das Leben der „Kunden“ verlängert, weshalb die saubere Firma zu rabiaten Methoden zu greifen scheint, um hier entsprechend nachzuhelfen…
„Grenzgänger“: In Beirut kommt es scheinbar ohne Motiv zu einem Mord an einem Touristen. Einstweilen lässt sich Caroline zusammen mit Gary in Montreal nieder und bekommt dort Besuch von ihrer Cousine Rachel (bekannt aus der Storyline „Kontrakt 48-A“), deren Sohn Jeremy seit einigen Tagen spurlos verschwunden ist. Der junge Herr pflegte offenbar schlechten Umgang mit Claude Fortier, einem Indianeraktivist, der im Zigarettenschmuggel engagiert ist und damit Waffengeschäfte finanziert, die offenbar einen Aufstand der ausgebooteten Ureinwohner des Landes vorbereiten. Caroline macht sich auf die Suche, wobei sich allerdings eine Dame aus Beirut namens Nohad Yared an ihre Fersen heftet, die ihrerseits ihren untergetauchten Vater sucht und sich nicht abschütteln lässt. In Quebec, wo sich offenbar auch der alte Herr aufhält, nimmt Caroline auch die Spur der rebellischen Indianer auf, denen sich Jeremy angeschlossen hat. Mit dem Mut der Verzweiflung verüben die Aufständischen tatsächlich einen Anschlag auf eine Brücke und nehmen diverse Geiseln, worauf die Polizei eingreift…
„König des Nordens“: Einschlägige Zigarettenhersteller müssen betrübt feststellen, dass nach dem fehlgeschlagenen Aufstand der „Absatzkanal“ des Schmuggels der kanadischen Indianer eingebrochen ist. Cheffe Harper möchte hier keine „losen Enden“ lassen und sendet einen Aufräumtrupp nach Quebec, während der kanadische Geheimdienst Claude Fortier laufen lässt, um weitere Hintermänner dingfest machen zu können. Die Spur der flüchtigen Aufständischen, der auch Caroline weiter folgt, führt ins Skigebiet Saint-Saveur, wo sich offenbar auch der Vater von Nohad aufhält, den Caroline ebenfalls immer noch sucht. Alles steuert auf einen feurigen Showdown hin, als sich Polizei und dubiose Geschäftspartner gleichermaßen auf die Fährte der Mannen um Claude Fortier heften – und auch Nohad spielt ganz und gar nicht mit offenen Karten…
In den Alben 9-12 seiner Reihe schickt André Taymans seine Heldin, die gerne mal einen hebt, den Männern nicht abgeneigt ist und zu allem Überfluss auch noch mit einer HIV-Diagnose ringt, einmal mehr auf eine Achterbahnfahrt rund um die Welt, die immer auch von Taymans‘ eigenen Reisen inspiriert wurde. 2001 etwa verbrachten Taymans und seine Ehefrau einige Zeit mit Trekking in Kathmandu, was sich wie stets in genau recherchierten Darstellungen von Schauplätzen und Landschaften Nepals äußert, wie auch eine Verlags-Ausstellung in einer französischen Buchhandlung in Beirut als Vorlage für eine entsprechende Szene in „Grenzgänger“ dient. Auch greift Taymans hier auf diverse Figuren zurück, die wir im Verlauf der Serie bereits kennengelernt haben: neben Carolines on/off-Partner Gary gibt es ein Wiedersehen mit Agentin Peterson und Carolines Cousine Rahel.
Auch aus anderen Serien wandern Figuren herüber: aus einem anderen Taymans Album schaut kurz Roxane vorbei, und in einem wechselseitigen Crossover gibt sich auf einer Seite die schmucke Ellen aus „Bleu Lézard“ des Kollegen Benoit Roels die Ehre, der seinerseits die gleiche Szene in einem seiner zeitgleich erscheinenden Alben einbaute. Wunderschön auch die Hommage an einen alten Weggefährten: in einer Hotellobby eilt Caroline an zwei Gästen vorbei, die unschwer als Dan Cooper und sein 2011 verstorbener Schöpfer Albert Weinberg, dem Taymans so ein Denkmal setzte, zu erkennen sind. Somit also viel zu entdecken in diesen vier Alben, deren Erzählfluss bisweilen weniger straff daherkommt als die ersten Abenteuer (vor allem die Beirut-Connection liefert nicht den Sprengstoff, den man sich versprochen hätte), die aber immer tiefer in die Psyche der hartgesottenen Detektivin eindringt, die mit ihren inneren Dämonen ebenso ringt wie mit ihren Widersachern. Bei Schreiber & Leser erscheint auch dieser Sammelband wieder hochwertig als Hardcover mit Lesebändchen und einem reichhaltigen Vorwort. (hb)
Caroline Baldwin, Sammelband 3
Text & Bilder: André Taymans
208 Seiten in Farbe, Hardcover
Verlag Schreiber & Leser
39,80 Euro
ISBN: 978-3-96582-075-3