Aldobrando (Carlsen)

Februar 2, 2021

Hinaus in die Welt. Nicht gerade das, was dem jungen und schmächtigen Aldobrando so vorschwebt. Lieber hockt er in einer Ecke in der schummrigen Hütte seines Ziehvaters, einem alten Magier und geht diesem mehr schlecht als recht zur Hand. Aber jetzt hat Aldobrando Mist gebaut. Sein Meister ist verletzt und benötigt zur Heilung das Wolfskraut, eine ganz spezielle wie offenbar seltene Pflanze. Also macht sich der Junge widerwillig aber doch naiv bestrebt auf die Suche. Und gerät prompt in Schwierigkeiten, als er versehentlich für einen Attentäter gehalten und in den Kerker gesperrt wird. Der Sohn des hiesigen Königs wurde bei dem Mordversuch schwer verletzt und schwebt in akuter Lebensgefahr. Zwar kann der Inquisitor Grimmstirn verständlicherweise Aldobrando kein Geständnis entlocken, dennoch soll der junge Mann als willkommener Sündenbock hingerichtet werden. Zuvor erlangt er jedoch die Aufmerksamkeit der unglücklichen Prinzessin Bianca, die ihn im Kerker aufsucht. Womit Aldobrandos Abenteuer endgültig seinen Lauf nimmt…

Das italienische Duo Gipi und Luigi Critone erzählt hier eine wunderbare Geschichte über das Erwachsenwerden, die in eine märchenhafte, mittelalterliche Umgebung verpackt ist. Und greift dabei starke und hehre Motive und Gefühle auf, wie Recht und Gerechtigkeit, Bescheidenheit und Unschuld. Und Liebe. Ohne es groß zu merken wird Aldobrando an den überraschenden Begegnungen und dramatischen Vorgängen wachsen, zuletzt auch über sich hinaus. Als Unschuld vom Lande, als naiver, schmächtiger Jüngling mit Knopfaugen und buschigen Brauen nicht gerade ein Bild von Mann, entwickelt er sich vom Spielball und Bauernopfer der Mächtigen, der sein Schicksal stoisch erträgt, zum Verfechter des Guten mit einem reinen Löwenherzen. Um all das stricken Gipi und Critone eine intelligente Story, die von starken Nebencharakteren bevölkert wird, welche im Laufe der Geschichte allesamt einschneidende Veränderungen erfahren werden (was teilweise auch wörtlich zu nehmen ist).

Da ist der kleine dickliche König, verbittert und sarkastisch, der seine Adoptivtochter, eben jene hübsche Prinzessin, ehelichte, welche sich ihm seitdem verweigert. Verständlicherweise. Oder der grimmige Inquisitor, der seine ganz eigene Agenda verfolgt und damit die Prinzessin für sich gewinnen will. Der Todbringer, ein wahrer Berserker von mächtiger Statur, den Aldobrando im Kerker kennen lernt und der die größte Metamorphose von allen erfahren wird. Und natürlich Sire „Gennaro Montecapoleone von den zwei Quellen“, der altklug daherredet, in seiner Skurrilität an Darstellungen von Don Quixote erinnert und der der Erste ist, dem Aldobrando auf seiner ereignisreichen Reise begegnet. Immer wieder schmunzelt man wegen der teils herrlich derben Sprüche, die zwischendurch trocken serviert werden, gerne vom König höchst selbst. Und auch später, beim großen Finale, sorgt das gemeine Volk für süffisante, ironische wie treffende Kommentare.

Gipi, dessen Werke bisher fast ausschließlich im avant-verlag erschienen (u.a. „Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte“, „Die Welt der Söhne“), beschränkt sich hier auf das Schreiben und überlässt die Zeichnerei seinem Kollegen und Landsmann Luigi Critone, der übrigens gerade Enrico Marini als Zeichner von Stephen Desbergs Reihe „Der Skorpion“ abgelöst hat (ein erster Band ist bereits in Frankreich/Belgien erschienen). Während er die Figur des Aldobrando fast im Funny-Stil „über“-zeichnet (Gleiches gilt für den König und einige andere), sind andere Figuren, wie auch die komplette Welt realistisch angelegt. Die Panels wirken dabei ungeheuer lebendig mit dynamischen, ausdrucksstarken Darstellungen. Auch die Farben (die Kolorierung besorgten Francesco Daniele und Claudia Palescandolo) sind mit Bedacht gewählt und vervollständigen mit ihrer erdfarbenen Optik das überaus gelungene Gesamtbild. Ein wunderbar märchenhaft und dabei spannender, prächtiger Band – von der ersten bis zur letzten Seite. (bw)

Aldobrando
Text: Gipi
Bilder: Luigi Critone
208 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag
28 Euro

ISBN: 978-3-551-75106-5

Tags: , , , , , , ,

Comments are closed.