Initiation nennt man das wohl: nachdem sich herausgestellt hat, dass der geheimnisvolle Fremde der verschollene Ludwig XVII ist, schließt er sich dem Orden der Ritter von Heliopolis an – jener Loge, in der sich allerlei Recken gegen das Böse der Welt stellen. Dabei muss Asiamar, wie man ihn nun nennt, ein wüstes Sterberitual durchlaufen, bevor er schließlich geläutert hervortritt und auch gleich seinen ersten Auftrag aus dem Kreise der Unsterblichen übernehmen darf. Ein gewaltiger Feldherr schwingt sich nämlich zum Tyrannen über die ganze Welt auf, und das kann man ja nicht akzeptieren in den Reihen der Wächter der Freiheit. Problem ist nur, dass es sich um niemand anders handelt als Napoleon Bonaparte, der endgültig die Weltherrschaft anstrebt.
Dass das Ganze kein Spaziergang werden dürfte, das berichtet ausführlich der Graf von Saint-Germain, der bereits vor einigen Jahren mit dem rührigen Korsen Bekanntschaft schließen durfte. Auf dem Ägypten-Feldzug nämlich begleitet er Napoleon als Berater und konnte erleben, dass die Eroberungszüge in Nordafrika nur vorgeblich dem Ziel dienten, die verhassten Engländer und ihren Oberkapitän Nelson vom Nachschub abzuschneiden. Nein, in der Wüste Ägyptens sucht Napoleon nichts anderes als das Geheimnis des ewigen Lebens, das der Sage nach bei den alten Beduinen zu finden sei. Tatsächlich kommt er in Form der jungen Nadja auf eine heiße Spur, die ihn Mitten in die Cheops-Pyramide führt. Dort soll der lebenshungrige Franzose eine Nacht verbringen, die entweder die Unsterblichkeit oder den Tod bringen soll. Als Napoleon am folgenden Morgen munter hervortritt, wird dem Grafen klar: hier ist ein höchst gefährliches Wesen geboren, das es aufzuhalten gilt…
In Teil 2 dieser History/Fantasy-Reihe mischt Metabarone-Erfinder Alejandro Jodorowsky wieder munter Historie und Imagination: seine Ritterkaste aus Unsterblichen zählt so illustre Vertreter wie Imhotep, Nostradamus und sogar der Apostel Johannes in ihren Reihen und avanciert so zu einer Art Liga der außergewöhnlichen Gentlemen in anderem Gewand. Der Kontext von Band 1 – die zurückgezogenen Ritter suchen den versteckten Anführer, den sie in Form des Hermaphroditen und versteckten Thronfolgers alsbald finden – entfällt zwar, gibt aber einer ebenso faszinierenden Variante der Weltgeschichte Raum. Napoleons Feldzug in Ägypten erscheint als geschickt arrangierter Vorwand, hinter dem der Korse seine finsteren Ziele verfolgt. Dabei erscheint er als teilweise geschickter Politiker, der die Bevölkerung gekonnt auf seine Seite zieht und als Befreier gefeiert wird, teilweise als grausamer Krieger, der tausende von ägyptischen Gefangenen niedermetzeln lässt, weil er möglichst schnell zurück nach Alexandria will: angeblich, um Nelson zuvorzukommen, aber eigentlich nur, um seine Suche nach der Unsterblichkeit voranzutreiben.
Mit Nadja steht ihm dabei eine Art ägyptische Belit (bekanntlich Königin der schwarzen Küste) bei, die allerdings weniger rabiat vorgeht als ihre Vorlage und in ihrem bitteren Schicksal durchaus an die Rücksichtslosigkeit erinnert, mit der der notorische Weiberheld Napoleon auch diese „Eroberungen“ behandelte. Die Suche nach dem heiligen Gral der Unsterblichkeit in ägyptischem Ambiente gibt dem Ganzen zusätzlich noch einen wohligen Indiana-Jones-Flair, der gegen Ende dann wieder im Frankreich der napoleonischen Kaiserherrschaft aufgeht. Flott erzählt, teilweise schockierend, immer gut inszeniert, bietet auch dieser Band ein faszinierendes Lesevergnügen, wie wir das eben von Herrn Jodorowsky gewohnt sind. Band 3 („Rubedo, das rote Werk“) ist für Februar nächsten Jahres geplant. (hb)
Die Ritter von Heliopolis, Band 2: Albedo, das weiße Werk
Text: Alejandro Jodorowsky
Bilder: Jérémy
64 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
16 Euro
ISBN: 978-3-96219-220-4