H.G. Wells: Der Unsichtbare, Band 2 (Splitter)

Mai 4, 2018

Griffin sitzt ein wenig in der Patsche. Zweifelsohne ist es ihm gelungen, sich unsichtbar zu machen, aber alle Versuche, in der Abgeschiedenheit eines Landgasthofs in Iping die Effekte seines Serums zu kontrollieren oder gar rückgängig zu machen, sind gescheitert. Der Obdachlose Thomas Marvel, den er in seinen Dienst gezwungen hat, ist ihm ausgebüchst, anstelle ihm seine drei Notizbücher zu holen, die er im Gasthof zurücklassen musste. Auf der Flucht wird Griffin sogar angeschossen und schleppt sich in ein naheliegendes Haus, das sich als Wohnstatt seines alten Lehrers Dr. Kemp entpuppt. Griffin berichtet den zunehmend entsetzten Kemp den Hergang seiner Experimente: wie besessen forschte er nach den Geheimnissen des Lichts, bestahl zur Finanzierung seiner Arbeit sogar den eigenen Vater und musste nach ersten Erfolgen mit einer Katze schließlich aus seiner Pension Reißaus nehmen – die er bei der Gelegenheit gleich niederbrannte, um seine Spuren zu verwischen.

Kemp gegenüber schwärmt der zunehmend größenwahnsinnige Griffin von seinem Vorhaben, eine „Herrschaft des Schreckens“ aufzubauen – der gute Doktor will dabei aber verständlicherweise nicht beteiligt sein, sondern informiert klammheimlich über seine Hausfrau die Polizei. Als Griffin Lunte riecht, verfällt er endgültig der Raserei: rücksichtslos mordend zieht er durch die Landschaft, immer auf der Suche nach seinen Notizbüchern, auf der Flucht vor der Polizei und zunehmend bedrängt vom Unbill der Kälte, Nässe und Hunger. Die aufgehetzte Volksseele fällt schließlich wütend über ihn her und übt grausame Vergeltung für seine Taten…

Auch in Band 2 seiner Adaption hangelt sich Dobbs, der beim „Krieg der Welten“ ja ein wenig großzügiger mit seiner Vorlage umging, sehr nah an der Romanquelle entlang, in der Science Fiction-Vater H.G. Wells die Effekte grenzenloser Macht eindrucksvoll darstellte. Auf dem Boden der zeitgenössischen Erkenntnisse der Optik entfaltet Wells das Psychogramm eines zügellosen Individualisten, dessen Egomanie durch seine kurzzeitige Straffreiheit ins Unermessliche gesteigert wird – eine durchaus negative Sicht auf die Conditio Humana, die auch den „Krieg der Welten“ und „Die Zeitmaschine“ durchzieht. Dabei nimmt Griffins faschistoider Traum vom „Reign Of Terror“ das vorweg, was Fritz Lang wenige Jahre später seinem kriminellen Großmeister Dr. Mabuse in den Mund legte, der von der „absoluten Herrschaft des Verbrechens“ schwärmte: Schreckensvisionen, in denen sich die neuen Machthaber nur allzu gut wiedererkannten.

Anders als in der Filmversion von James Whale, in der der eigentlich sanftmütige Griffin durch seine Chemikalien in den Wahnsinn getrieben wird, legen Wells und später Lang nichts anderes als die durchaus bedenkliche menschliche Natur offen, die gerne zu atavistischer Gewalt neigt, wenn die Konsequenzen ausbleiben. Optisch setzt Christophe Regnault das Geschehen eindrucksvoll in Szene und nutzt dabei geschickt die Möglichkeiten, die das Sujet bietet – so etwa, wenn Griffin durch spritzendes Blut silhouettenhaft sichtbar wird. Somit ein würdiger Abschluss der Dobbs-Wells-Reihe, die fast alle klassischen Scientific Romances (mit Ausnahme von „The First Men In The Moon“ und „Things To Come“) in hübsch eingerichteten Editionen wunderbar nochmals Revue passieren lässt. (hb)

H.G. Wells: Der Unsichtbare, Band 2 (von 2)
Text: Dobbs, nach H.G. Wells
Bilder: Christophe Regnault
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Splitter Verlag
15,80 Euro

ISBN: 978-3-95839-502-2

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