Tomoe, Band 1 (Panini)

April 25, 2018

Japan im Jahre 1461, vor Beginn der Sengoku-Zeit, einer Phase, die von politischen Machtkämpfen und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt war. Hier lebt die junge Sayo in einem Fischerdorf, das unvermittelt von Piraten angegriffen wird. Sayo wird entführt, ihre Familie niedergemetzelt, das Dorf verwüstet. Der Oberpirat heißt Yoshinaka und ist ein Nachfahre eines berühmten Kriegsherren. In Sayo erkennt er Tomoe, die Göttin des Wassers, die einst mit seinem Urahn ein mächtiges Paar bildete. Diese Macht will Yoshinaka wieder herstellen und daher Sayo, die jetzt Tomoe genannt wird, ehelichen, sobald diese zur Frau heranreift. Dass die junge Dame von dem viel älteren, brutalen Pirat nicht sonderlich angetan ist, versteht sich von selbst. Sie verliebt sich in dessen Sohn Oda, lernt bei einem alten Aussätzigen Lesen und Schreiben und auch die Kampfkunst. Eines Tages beschließen Tomoe und Oda zu fliehen, aber die Flucht wird von Yoshinaka vereitelt, der nun hinsichtlich Sohn und geplanter Gattin sämtliche Zurückhaltung aufgibt…

Diese (bisher) unglückliche Liebesgeschichte ist eingebettet in einen historisch-politischen Rahmen: Zwei mächtige Familien-Clans, der von Hosokawe und der von Yamana, buhlen um die Gunst des Shoguns und damit letztendlich auch um die Macht. Beide hassen sich aus ganzem Herzen. Und die Tatsache, dass Yamanas intrigante Schwester Sei Hosokawe heiratete, verkompliziert die Gemengelage zusehends. Der Knackpunkt scheint, dass der Shogun keinen Nachfahren zeugen kann und deshalb seinen Bruder als Nachfolger aufbauen will. Hosokawe ist auf Seiten des Shoguns, Yamana gegen ihn. So läuft hier ein munteres Intrigenspiel hinter den Kulissen ab, das sich zusätzlich verkompliziert, als die Frau des Shoguns dann doch noch schwanger wird. Sehr zum Missfallen Seis, die nämlich auch vom Shogun ein Kind erwartet.

Ganz am Ende des Albums werden diese beiden großen und völlig unterschiedlichen Handlungsfäden, die den Band bestimmen, erstmals miteinander verbunden. Beide Geschichten sind tief verwurzelt in der Historie, bzw. in den Legenden Japans. Tomoe war eine berühmte japanische Kriegerin im 12. Jahrhundert – wobei ihre Existenz tatsächlich nicht nachweisbar ist. Ihr Gefährte hieß auch Yoshinaka und aus ihrer Verbindung zum Wasser (ein japanisches Zeichen namens Tomoe) lässt Autor Manini eine Wassergöttin entstehen. Und tatsächlich übt Tomoe fleißig und beginnt über das Wasser zu gebieten – ein bisher noch zartes Fantasy-Einsprengsel in die Story, das sicher in den Folgebänden eine größere Rolle einnehmen wird und das im Cover eine schöne Hommage an die berühmte „Große Welle vor Kanagawa“ darstellt.

Der reale geschichtliche Hintergrund bringt zusätzliches Gewicht und Dichte in die Handlung. Die Zeichnungen von TieKo (das ist Thierry Cuquil), wie Manini bereits ein alter Hase im Comic-Geschäft, obwohl hierzulande kaum bekannt (seine Dschungelbuch-Adaption erschien mal auf Deutsch bei Brockhaus), sind solide, detailliert, stimmig und sicher auch bestens recherchiert, wenngleich auch sein Stil an die Originalität und Eleganz an die franko-belgischen Japan-Epen eines Frédéric Genêt („Samurai“) oder eines Michetz („Kogaratsu“) nicht ganz heranreicht. Durch die Verknüpfung japanischer Geschichte mit zeitgenössischen Mythen schaffen Autor und Zeichner eine interessante Mischung, durch die Neues entsteht und die dennoch lesenswert ist und neugierig auf die Fortsetzung macht. (bw)

Tomoe, Band 1: Göttin des Wassers
Text: Jack Manini
Bilder: TieKo
56 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
15 Euro

ISBN: 978-3-7416-0672-4

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