Deutsche Superschurken haben seit jeher Konjunktur, schon seit Superman & Co. auf den Seiten der US-Comicbooks während des Zweiten Weltkriegs den Nazis höchstpersönlich Mores lehrten. Bei deutschen Superhelden sieht das dagegen ganz anders aus. Nämlich äußerst mau. In den USA, wo dieses Genre begründet wurde, wie auch hier in Deutschland. Na gut, dort gibt es Kurt Wagner, alias Nightcrawler von den X-Men und hierzulande war der ambitionierteste Versuch in diesem Bereich die Veröffentlichungen der Ideenschmiede Paul und Paul („Helden“, „Dorn“), was schon eine ganze Weile her ist. Nun mischen ausgerechnet in unserem Nachbarland Österreich die ASH, die Austrian Superheroes, in einer Heftreihe die Szene auf und sind in ihren Sammelbänden erfolgreich zu einem renommierten Comicverlag, nämlich Cross Cult, migriert, wo inzwischen bereits zwei Ausgaben vorliegen. Was bei den Ösis klappt kann bei uns nicht verkehrt sein, und so haben namhafte und altgediente deutsche Comicschaffende unter dem gleichen Dach die LDH, die Liga Deutscher Helden, ins Leben gerufen, deren zweites Heft gerade frisch erschienen ist.
Die hiesigen Superherrschaften und Mitglieder der LDH nennen sich Gamsbart, Jeck, Lorelei und Chimäre, wobei der bisher noch geheimnisvolle „Captain“ die Leitung der Truppe innehat. Aber es gibt bei uns noch mehr Superhelden, inkl. der als „Gaststars“ auftretenden ASH: Watzmann, der mysteriöse Blanke Hans, Göre (aus Berlin, klar) kommen der LDH immer wieder zur Hilfe. Bei was? Nun, seit einiger Zeit häufen sich in Deutschland sogenannte epigenetische Mutationen. Diese sind auch für die „Entstehung“ der hiesigen Helden verantwortlich. Doch ein Unbekannter triggert diese Mutationen anscheinend willkürlich bei Normalbürgern, die sich – sofern sie ein bestimmtes Gen besitzen – dann entweder zu Monstern verwandeln oder aus dem Nichts kuriose Fähigkeiten entwickeln und damit heilloses Chaos anrichten. So geht es von der Zentrale in Bonn zu Einsätzen nach Frankfurt, München (Heft 1) und Berlin (Heft 2), wobei auf der Action-Ebene die Gegner bekämpft werden, während handlungstechnisch die Suche nach der Ursache der Mutationen vorangetrieben wird.
Dabei setzt man viel auf Lokalkolorit, denn während Gamsbart auf bayerisch schwadroniert, lässt Jeck (Nomen est Omen) keine Gelegenheit aus, um auf Kölsch seine Späßchen zum Besten zu geben. Hier liegt ein Problem, bzw. ein Widerspruch in der ganzen Sache. Denn einerseits möchte man mit der Reihe ernst genommen werden (das unterstellen wir mal), andererseits aber wirkt v.a. Jeck mit seinem Slang und seinen Karnevals-Gimmicks („Strüssjer-Bomben“) wie eine Karikatur, bzw. Heldenparodie, die das vermeintlich Seriöse an der Sache wieder torpediert und mehr an die „lustigen“ Batman-Episoden aus den sechziger Jahren erinnert. Klar wollen Macher und Leser Spaß an der Sache haben, aber die Dialekt-Szenen (die dann auch noch „übersetzt“ werden) stehen dem Ganzen dann doch etwas im Wege. Neben den Namen der Helden und den Locations (inkl. eines witzigen Einsatzes des Berliner Luftbrückendenkmals) lassen die Macher reichlich deutsche Geschichte in die Story einfließen. Chimäre war in der DDR bereits aktiv, man erinnert an alte Ost- und West-Seilschaften, Helmut Schmid hat innerhalb eines Rückblicks einen Gastauftritt als Bundeskanzler und in den Zweitstorys wird die Origin von ausgesuchten Helden beleuchtet.
Auch in der Hauptstory wird immer wieder auf die Vergangenheit der Helden Bezug genommen – so erfahren wir, dass der „Captain“, als er noch einen „richtigen“ Körper besass, in dunklen Zeiten „Hauptmann Deutschland“ genannt wurde. Zur Verdichtung der Handlung und als Hintergrundinformation ergänzt in Heft 2 ein fiktiver Sekundärartikel über die Ursprünge der Heldengruppen der einzelnen Länder (ja, neben den LDH und den ASH gibt es noch andere) die Geschichte. Der Lösung der Mutationen kommt man bisher nicht wirklich näher, stattdessen wird die Handlung durch diverse neue Geheimnisse, Geschehnisse und Einsprengsel in die Breite gezogen und man fragt sich unweigerlich, wie die Story zu einem vernünftigen Ende geführt werden soll. Denn mit dem kommenden dritten Heft soll (vorerst?) schon wieder Schluss sein mit der via Crowdfunding finanzierten LDH-Reihe, was schade wäre, zumal die Ösi-Kollegen bereits elf Hefte erfolgreich auf dem Buckel haben. Für Sammler gibt es pro Ausgabe zwei limitierte Variant-Cover, die u.a. von Ralf König gestaltet wurden. (bw)
LDH – Liga deutscher Helden, Heft 1+2
Text: Jan Dinter, Oliver Naatz
Bilder: Martin Frei, Stefan Dinter, Gerhard Schlegel, Erol Lorenzo Debris, Oliver Kammel
je 36 Seiten in Farbe, Heftformat
Contentkaufmann
je 4,90 Euro (Regular Edition)