Gewaltig schief hängt er, der Segen im Hause Allycat und Lisa. Eigentlich könnte alles so einfach sein: die Damen gehen ihren Berufen nach, beglücken sich ab und an mit deftigen BDSM-Spielchen und halten das ganze Arrangement natürlich nur auf pragmatisch-freundschaftlicher Basis. Dass die Sache doch etwas komplexer ist und vor allem Lisa gehörig Gefühle für ihre Domina entwickelt, deutete sich ja bereits an, aber auf einer Halloween-Party eskaliert die Lage dann. Willfährig hat Lisa nämlich vorgeschlagen, doch noch eine andere Sub zum Spiel hinzuzufügen, und alsbald findet Allycat in Anne eine passende Kandidatin. Das bringt Lisa gegen ihre eigene Erwartung gehörig auf die Palme: sie steigert sich in eine Eifersuchtsattacke und provoziert Ally soweit, bis diese ihr an den Kopf wirft, es wild mit all ihren Freunden zu treiben. Lisa dampft ab und flieht aus der gemeinsamen Wohnung zu ihren Eltern, während Ally und Anne die Party gemeinsam verlassen. Es beginnt das typische Eifersuchts-SMS-Drama: anstelle die Sache einfach zu klären, fantasiert sich Lisa die wüstesten Szenarien zusammen und sieht sich durch Allys kurz angebundene Antworten nur noch bestätigt.
Dass Ally von Anne in dieser Nacht nicht ordentlich rangenommen, sondern in die Notaufnahme gebracht wurde, weil Ally sich eine schmerzende Handverletzung zugezogen hat, die sie auch am Tippen hindert, darauf verfällt Lisa in dieser aufgeheizten Stimmung natürlich nicht. Wie ein angeschossenes Reh zieht sie sich zurück und versucht, ihren Gefühlen auf eine ganz besondere Art Luft zu machen: sie beginnt wieder damit, im Internet erotische Erzählungen zu veröffentlichen. Ihre eingeschworene Leserschaft fordert jedoch bald vehement die Rückkehr der Geschichten um Allison und Lisbeth, die natürlich in kaum kaschierter Form auf den Fantasien beruhten, die Ally und Lisa teilweise auslebten. Doch Lisa scheut davor zurück, diesen Faden wieder aufzunehmen – immerhin scheint die Sache mit Ally ein für allemal aus. Immerhin schafft sie es, ein klärendes Gespräch mit Anne zu führen – und leidet umso mehr, nachdem sie die Wahrheit kennt. Sie zieht wieder bei Ally ein, was jedoch mehr einem gegenseitigen Ignorieren ähnelt denn einem Zusammenleben. Dann fasst sie einen kühnen Plan: wenn sie es schon nicht schafft, direkt mit Ally zu sprechen, dann sollte ihr das doch im Medium ihrer Erzählungen gelingen. Und so feiern Allison und Lisbeth doch noch ihre fiktive Auferstehung – immer getrieben von Lisas Hoffnung, dass Ally die darin versteckten Botschaften versteht und ihr verzeihen kann…
SMS statt S&M: weit ist sie mittlerweile gediehen, die Entwicklung von Stjepan Sejics Erotik-Fabel, die anfänglich nur aus ein paar spektakulären Pin Ups bestand: von der optisch berauschenden und inhaltlich behutsam-respektvollen Erforschung der BDSM-Welt im Auftakt über das Beziehungsdrama, in dem sich Lisa eingestehen musste, sich in Ally verliebt zu haben, landen wir hier nun mit voller Wucht direkt in einem Eifersuchts-Zicken-Krieg, der sich gewaschen hat. Wie im besten Teenie-Alter ergeht sich Lisa in Vermutungen, Erwartungshaltungen und Überhöhungen, anstelle schlicht und ergreifend zu ergründen, was Sache ist. Handlungstechnisch geschieht insofern relativ wenig: wir erleben über Seiten Lisas Leiden und ihren langen Weg hin zum Eingeständnis, dass sie schlicht und ergreifend rasend eifersüchtig ist – und das anfangs weder Anne noch Ally beichten möchte.
Der Umweg über ihre erotischen Stories eröffnet dann doch noch einige erzähltechnische Kniffe – fiktive Binnenerzählungen kommentieren und formen die Hauptgeschichte, was auf der Ich-Erzähler-Ebene von Lisa offen thematisiert wird, die die zeitliche Abfolge der Geschehnisse gerne durchbricht und eher assoziativ vorgeht. Ihre große Konfrontation mit Anne berichtet sie überformt als Ritterkampf auf einem Fantasy-Schlachtfeld, um ihre Aufgewühltheit auch optisch umzusetzen. Die Reaktionen auf ihre Stories, die im Chatroom ankommen, erleben wir auch optisch als Postbox-Nachrichten – und die wenigen BDSM-Elemente, die überhaupt noch verbleiben, sind Lisas Erzählungen oder Eifersuchts-Fantasien vorbehalten (wobei diese Szenen optisch nach wie vor zu den Highlights der ganzen Saga zählen). Inhaltlich allerdings möchte Beziehungsberater Dr. Bachmaier hier allerdings nahezu permanent eingreifen und Lisa stellvertretend für Ally den Hintern versohlen: Mädel, stell Dich nicht so pubertierend an, mag man da rufen – sei ein Mann (doch, das geht auch bei Mädchen) und rede Klartext! Band 6 verheißt den sprichwörtlichen Höhepunkt: wir sind gespannt wie Regenschirme. (hb)
Sonnenstein, Band 5
Text & Bilder: Stjepan Sejic
128 Seiten in Farbe, Hardcover
Panini Comics
25 Euro
ISBN: 978-3-7416-0676-2